12.5.24

Treffen

 







Gestern traf ich ihn. Zum allerersten Mal. Noch nie hatte ich ihn vorher jemals gesehen, wie sollte ich auch? Ich kannte niemand, der ihn hätte beschreiben können, ich wüsste auch nicht, wer ihn jemals beschrieben hätte. Es sei denn, die Fantasie könnte ein völlig überzeichnetes Bild von ihm in die Welt setzen.

       Dennoch erkannte ich ihn sofort. Woran ich es festmachen konnte, ist mir bis heute nicht eingefallen. Vielleicht waren es die Blicke, die mich in einer intensiven Weise beeindruckten? Solch einen markanten Augenausdruck sah ich noch niemals in meiner  langen Lebenszeit.

       »Hallo«! Eine ausdrucksvoll klingende Baritonstimme verwandelte die Abendstunden in Erlebnisse besonderer Art. Goethes Worte in »Wanderers Nachtlied«, von Franz Schubert vertont, klang leise durch die blaue Nähe. »Hallo!«, Wie kann solch ein Wort klingen als traumhaft?

       Dann stand er vor mir, sagte ganz einfach nur »Hallo!«. Ich blieb einen Moment unruhig stehen und zweifelte ob er es war oder nur eine seltsame ähnliche Erscheinung. Ich überwand meine Scheu, fragte wer er sei und was er hier wollte. Erstaunt schaute er mich daraufhin an; es waren Blicke die bis das Innerste meiner Seele reichten. Ich war verwirrt, wollte noch etwas sagen und konnte es einfach nicht. Ganz sacht schüttelte er seinen Kopf, blickte mich dabei unentwegt an!

       Dann geschah es. Ich verstand plötzlich! Ja! Es war, als öffnete sich dabei ein Fenster der großen Unendlichkeit. Wozu war noch weiteres Wissen nötig? Alles war erklärt, in der Endlosigkeit der himmlischen Weite blieb nichts mehr offen für eine Erklärung. Mir blieb nichts mehr zu tun, als mich zu verabschieden, ich ließ ihn einfach gehen. Warum? Es gibt nichts, was ein Mensch sich selbst sagen kann, was er nicht schon vorher wissen könnte.

 

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