Geht es dir wie mir, wenn du dies liest? Ich weiss es nicht, aber ich könnte es mir vorstellen. Oft habe ich das Gefühl, dass ich, obwohl die Zeit vergangen ist und sich mein Äusseres verändert hat, in dem, was ich so leichtfertig »meine Seele« nenne, keine so grossen Veränderungen wahrnehme wie in den Falten, die mein Gesicht jetzt prägen.
Tief in meinem Innern habe ich immer noch die Wünsche und Träume, die ich immer hatte, seit mein Gedächtnis zu leben begann. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich so weit von dem entfernt bin, was ich als Kind war. Ist es möglich, dass wir alle alternde Kinder sind, grosse Kinder, aber Kinder?
Wir alle sind dabei, Wege zu erfinden, um unsere Vorstellungskraft zu beleben und uns vorzustellen, dass mit dem Wachstum unseres Körpers auch unsere Seele wächst. Erschwerend kommt hinzu, dass wir noch kindliche Wünsche und Impulse in uns tragen, obwohl wir längst erwachsen sind. Freie Zeit zum Spielen haben wir nicht so oft, wie wir es uns wünschen. Deshalb tun wir alles, um den Geist unserer Kindheitsspiele auf die Arbeitsbeziehungen und den tristen Alltag zu übertragen.
Ist das der Grund für so viel Unordnung auf der Oberfläche unseres Planeten? Es könnte die ganze Verwirrung und das Missmanagement in den Nationen erklären. Es würde das Scheitern dieser patriarchalischen Gesellschaft ebenfalls erklären, in der wir allmählich versinken. Die grossen Staatsoberhäupter wären nichts anderes als traurige und gequälte Kinder. Und die Chefs der multinationalen Konzerne seien wie bösartige und listige Teenager; sie alle - und wir alle mit ihnen - sehnen sich nach mütterlicher Liebe und Geborgenheit, einer Erinnerung, die für immer verloren ist.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Lösung für alle Übel der Welt darin besteht, die Macht ein für allemal in die Hände der Frauen zu legen. Nur eine Mutter kann die Köpfe unserer verwirrten Kinder - und damit auch unsere eigenen - wieder in Ordnung bringen.
Die Frage ist nur: Wird das jemals geschehen?
Wahrscheinlich bleibt es beim Versuch Nr 238