24.7.24

Meine Zeit I.

 


 









Während ich vor einigen Jahren in diesen Teil meines Heimatlandes, in das schöne Ostfriesland, zurückkehrte, verlor ich irgendwann meine Erinnerung an mein voriges Leben. Keine Ahnung, mir ist nicht klar, wo es geblieben ist. Ich war mir auch nicht bewusst, dass ich diese Gedanken überhaupt verloren habe. Es geht nun im Grunde genommen nur noch um das Weiterwandern in den zukünftigen Rest des Lebens. Aber das ist ja beileibe kein neues Kapitel, lange vorher stand es schon im Buch des Lebens aufgezeichnet, man musste es nur lesen - oder eben beachten.

        Die grösste Neuigkeit ist jedoch momentan, dass der gesunde Menschenverstand des 81-jährigen Präsidenten der USA am Ende gesiegt hat. Er reicht die Fackel an seine Vizepräsidentin weiter. Natürlich nicht sofort, er will seine Amtszeit bis zur letzten Stunde auskosten. Diese Vizepräsidentin ist Kamala Harris, eine typisch amerikanische Frau. Sie trägt wie keine andere die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika in sich, von der Zeit der Sklaverei bis zum bitteren Vietnamkrieg! Sie wird es nicht leicht haben in diesem typischen US-Wahlkampf. Sie muss gegen einen gewieften Geschäftsmann, der mit allen Wassern gewaschen ist, antreten. Und wie das ausschaut, haben wir alle vor 4 Jahren erfahren!

       Aber auch Mr.Trump braucht nun alle Kräfte, wenn er hier bestehen will. Trotz all seiner Bemühungen, ein junges und gesundes Leben zu führen, wird ihm jetzt, mit 78 Jahren, das Image eines »alten Mannes« angeheftet. Sicherlich wird ihn das auch ein wenig verletzen und verunsichern. Er kann nun unmöglich noch behaupten, wacher zu sein als seine Gegenkandidatin, die jung, frisch, gutaussehend und redegewandt ist. Wir werden uns auf einen spannenden und nervenaufreibenden Kampf in den USA gefasst machen, in dem auch einiges für den ganzen Erdball auf dem Spiel steht.

       Ein anderer Kampf ist nun zu Ende! Am letzten Tag einer spannenden und schönen Tour de France gab es keine Überraschungen mehr. Jeder kann nun sagen, dass es einen rechtmässigen Sieger gibt, den Slowenen Tadej Pogačar. Er war nicht mehr auf dem Prüfstand, bereits zum dritten Mal war er Gesamtsieger und diesmal mit 6 Tagessiegen. Noch ein paar Tage und wir können die »Helden« dieser Tour - und andere - wieder bei den Olympischen Spielen in Paris bewundern. Ohne den Pogačar. Der braucht jetzt eine Erholung ...

       Am Freitag wird dort dann die Jagd auf Gold, auf Silber und Bronze eröffnet. Nicht nur im Radsport, sondern in allen Sportarten, die wir irgendwie kennen. (Gibt es eigentlich für den Herrn Bach auch eine Medaille? Ich frag ja nur.)

      "Na - dann spielt  man schön" - mit einem Wort von Theodor Heuss abgewandelt. Der meinte aber die Bundeswehr. (hoffentlich benötigen wir die nicht?)

So, das ist erst einmal alles, was ich an diesem grauen Mittwochmorgen zu sagen habe, schliesslich sind es wieder weitere Wortbilder, die ich mir für diese letzten Julitage gesichert habe. Wir sehen uns bestimmt wieder, oder?


 

23.7.24

Auch eine Wahrheit!

 











Nach dem 2.Weltkrieg machten die Siegermächte vielfach dem Deutschen Volk grosse Vorwürfe, dass sie unfähig gewesen wären, Widerstand gegenüber dem Nazi-System zu leisten.

       Der Schriftsteller und Publizist Erich Kästner bemerkte damals zu den Vorwürfen: »Wer hat denn, als längst der Henker bei uns öffentlich umging, mit Hitler paktiert? Das waren nicht wir ... Wer hat denn Konkordate abgeschlossen? Handelsverträge unterzeichnet? Diplomaten zur Gratulationscour und Athleten zur Olympiade nach Berlin geschickt? Wer hat denn den Verbrechern die Hand gedrückt statt den Opfern? Wir nicht, meine Herren Pharisäer!«

       Diese Aussage wurde leider unterdrückt, man durfte die Sieger ja nicht erzürnen. An solchen kleinen Bemerkungen erkennt man jedoch, dass man in einer Demokratie zwar alles sagen darf - aber möglichst hinter vorgehaltener Hand!

Wir sind inzwischen reifer geworden. Auch klüger?

16.7.24

Nichts war trotzdem Viel!

 















Wie lebten wir Kinder nach dem 2.Weltkrieg? 

Ich weiss nicht, ob es möglich ist, das Leben jener Zeit nachzuempfinden.
Vieles von dem, das heute selbstverständlich ist, war uns überhaupt noch nicht bekannt - weil es das noch nicht gab! Und vieles, das es schon gab, gab es aber
nicht mehr, weil das Benutzen eines Gegenstands doch jeweils von dem Vorhandensein abhängig ist.

       Wie lebten wir also? Wir waren fröhliche Kinder, wenn wir auch viel Leid erfahren hatten, nun aber wieder lachen konnten; wir waren gesunde Kinder, weil wir unser Dasein nicht mit ungesunden Nahrungsmitteln belasten mussten - weil sie nicht vorhanden waren. Wir waren lernbegierige Kinder, weil wir aus dem Zwang der staatlichen Behörden entkommen waren und nun eine freiheitliche Ordnung kennenlernen konnten!

       Und wenn diese wichtigen Anliegen nicht zutrafen, gab es genügend Hilfestellungen, die uns zur Verfügung standen, um hier Ausgleich zu schaffen. (das war wirklich so - wenn es auch unglaubwürdig klingt.) Und mit viel eigener Willenskraft und Übung brachte wir oftmals all das mit unzureichendem Werkzeug und Material aus irgendwelchem Altgeräten das zustande, das heute nur von erfahrenen Fachleuten bewerkstelligt werden kann!

       Das erste Jahrzehnt nach dem Krieg war eine schwere Zeit! Dieses erste Jahrzehnt war jedoch auch eine schöne Zeit! Es brachte das zum Vorschein, das der Krieg lange Zeit verschüttet hatte - das wunderbare Gefühl des »Miteinanders«, in der eigenen Unzulänglichkeit und Hilflosigkeit. Kannst Du, liebe Leserin, lieber Leser, dieses Gefühl nachvollziehen, wenn mehrere Laien etwas schaffen, das als Unmöglichkeit galt - und dennoch zu einem wunderbaren Ergebnis geführt hat?

       Uns Kindern erging es nicht anders. Wir hatten nichts! Aber aus diesem Nichts brachte unsere Fantasie und Einbildungskraft so unendlich viel zum Vorschein, das man sich in der Gegenwart nicht mehr vorstellen kann,

       Wir brauchten zur Kommunikation kein Smartphone, wir trafen uns nicht zum »Abhängen«, sondern brauchten unsere knapp bemessene Zeit für sinnvolle Aufgaben! Knapp bemessen deswegen, weil unser Vater entweder noch in Kriegsgefangenschaft war oder im schlimmsten Fall »für Führer, Volk und Vaterland« sein Leben auf dem »Felde der Ehre« gelassen hatte!

       Wir schrieben noch Briefe - auf echtem Papier - und warteten dann sehnsüchtig auf Antwort! Etwas später trafen wir uns mit den Mädchen zum Tanzabend am Wochenende. Der Höllenlärm in den »Diskotheken« war uns fremd, es gab sie halt noch nicht! Ganz ehrlich: Sie haben uns auch noch nicht gefehlt! Lärm und Gefühl war damals noch etwas, das nicht zusammengehörte!

        Und die Schulzeit? Nach den Hausarbeiten, die von den Lehrern aufgegeben wurden, war das Spielen am Nachmittag angesagt. Wir hatten noch die Möglichkeit in der Stadt, auf der Straße zu spielen! So manche beliebten Gemeinschaftsspiele fanden in Ermanglung von großen Spielplätzen eben auf der Straße statt. Man stelle sich das einmal vor, die Zufahrtsstraße zur Bundesstraße YX wäre von einem Haufen Kinder besetzt, die »Völkerball« spielen …

       Rollschuhe wurden noch an den Schuhen angeschnallt, ebenso Schlittschuhe. Wenn wir bei uns Fußball spielten, hatten wir beileibe keine Fußballschuhe, von Turnschuhen bis zum Barfußspiel war da alles vertreten. Spaß hatten wir allemal. Ob Sommer oder Winter, ob Schnee oder Sonnenbrand, das Leben der Kinder war ohne die moderne Technik für uns Kinder lebenswert.

       Bis - ja bis die modernen Geräte uns einholten, bis das Denken an einem Punkt angelangt war, an dem das große Schild angebracht war: From now on, everything is automated!

14.7.24

Zeit für mich?

 


 













Da war einst ein kleiner Junge, der seinen Vater über alles liebte. In seinen Fantasien war dieser der Superheld, der alle Probleme lösen konnte; aus dieser Zuneigung entstand das Bedürfnis, ihn immer näher bei sich zu haben. Sein Vater liebte ihn ebenfalls, aber auf seine Art, doch er hatte zu wenig Zeit, da er immer zu sehr von seinem Beruf eingespannt war.

       »Papa«, sagte er eines Tages. »Ich habe diese schwierige Mathe-Aufgabe, von der ich nicht weiss, wie ich sie lösen soll. Kannst du mir bitte helfen?« Der Vater schüttelte angespannt seinen Kopf. »Nein, mein Junge, ich habe jetzt überhaupt keine Zeit, weil ich diese Arbeit für das Büro vorbereiten muss.«

       »Aber Papa, es ist sieben Uhr abends und du hast doch schon lange Feierabend!«.
»Nun, so ist es leider nicht, mein Sohn. Ich bin sehr beschäftigt; bitte doch die Mama oder deinen Bruder um Hilfe.«

       Am Wochenende sagte der Junge einem Vater: »Papa, bitte hilfst du mir, dieses Puzzle zusammenzusetzen?«

»Das kann ich jetzt nicht, mein Sohn, weil ich gerade das Auto überprüfen muss, da stimmt etwas nicht.«.
»Aber, Papa …«

»Hörst du nicht, mein Sohn? Ich habe definitiv keine Zeit dafür.«

***

Einige Tage später fragte der Junge seinen Vater. »Papa, erzähl mir doch mal. wie viel verdienst du pro Stunde in deinem Job?«

»Wozu willst du das wissen?«

»Wir haben in der Schule solche Textaufgaben! Nur um es zu wissen«, antwortete sein Sohn.

»Na, so ungefähr 4o Euro in der Stunde, etwa im Durchschnitt.«
»Danke, Papa«, sagte der Junge.

In den darauffolgenden Wochen trug der Junge frühmorgens Zeitungen aus, ohne es jemandem zu sagen und ohne dass seine Familie es merkte. Er machte es solange, bis er insgesamt vierzig Euro beisammen hatte. Als er den Betrag verdient hatte, ging er zu seinem Vater und sagte:

»Lieber Papa, ich möchte dir eine Stunde deiner Zeit abkaufen, damit du sie mir bitte ganz allein geben kannst.“

 

13.7.24

40 Jahre nach 1984

 
















In einem Erzeugnis der Presse las ich, Russland und China würden weniger Waffen in andere Länder exportieren als früher. Was wie eine erfreuliche Nachricht klingt, ist in Wirklichkeit ein schwacher Trost. Denn die autoritären Regime brauchen natürlich die Waffen der heimischen Rüstungsindustrie selbst – Moskau für den Angriffskrieg in der Ukraine, Peking zum Bau einer „Großen Mauer aus Stahl“, wie es Präsident Xi Jinping angekündigt hat.

      1989, mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, waren die damit verbundenen Hoffnungen groß, eine militärische Konfrontation autoritärer und demokratischer Systeme lasse sich dauerhaft überwinden. Sie haben sich als trügerisch erwiesen. Im Gegenzug zur russischen Invasion in der Ukraine rüstet nun auch Europa auf. Die USA exportieren Waffen mehr und mehr, Marschflugkörper sollen auch in Deutschland stationiert werden!

       Die Staaten in Chinas Nachbarschaft fahren ihre Ausgaben zur Verteidigung vor der immens machtvoll auftretenden Volksrepublik und auch Nordkoreas hoch! Längst vergessen geglaubte Konfliktmuster kehren nun zurück in eine polarisierte Welt der bis an die Zähne bewaffneten Großmachtblöcke!

      Obwohl überall die Sicherung des Friedens wohl den wichtigsten Grundwert für die Menschen darstellt, sind die politischen Mächte dieser Welt von einer aktiven Friedenspolitik so weit weg wie seit Jahrzehnten nicht. Das ist die bittere Wahrheit, die den Glauben an die Menschheit erschüttern muss.

 »Big Brother is watching you!«

– dieser Slogan ist längst zum Synonym für totale staatliche Überwachung geworden. Als George Orwell 1948 seinen Roman 1984 fertigstellte, stand er unter dem Eindruck der Entwicklungen in der Sowjetunion unter Stalin. Da englische Intellektuelle dem Sozialismus sowjetischer Prägung zunehmend mit Akzeptanz begegneten, befürchtete Orwell, sie könnten sich vom totalitären Staatsdenken verführen lassen.
      Als Folge führte er ihnen in seinem Roman den Totalitarismus drastisch vor Augen. Lohnte es sich nach dem Untergang des Ostblocks noch, den Roman zu lesen? Unbedingt, es lohnt sich auch heute noch, denn dieses Buch ist ein eindringliches Plädoyer gegen totalitäre Herrschaft jeglicher Couleur.

    Der Roman »1984« führt uns eindringlich vor, wie Sprache und gelenkte Nachrichten zum Instrument der Manipulation geraten. Moderne Kommunikationsmittel bedrohen darin die Privatsphäre der Menschen.

      Orwells düsterer und pessimistischer Zukunftsroman war schon bei seinem Erscheinen nur wenige Schritte von der Gegenwart entfernt – heute ist der Abstand zur Realität nur noch gering und wird immer geringer. Diese Einteilung in drei Machtblöcke, die Orwell beschrieb, ist sie wirklich so fern?

10.7.24

Dann musst du eben gehen.



Mitten aus dem Leben erzählt ... 






Sonnenschattengeflecht auf dem Waldboden. Der Geruch nach feuchtem Moos und nach Nadelgehölz umschmeichelt die Sinne; in einem leisem Windhauch schwanken die hohen Buchen und Kiefern, kaum wahrnehmbar. Im Unterholz absterbende Äste lassen das »Stirb und Werde« der Natur überdeutlich werden. Ein kleiner Käfer versucht unermüdlich, einen morschen Baumstamm zu erklimmen. Vergebliche Mühe. Gero lächelt, spielt den Retter und nimmt ihn vorsichtig zwischen zwei Finger, setzt ihn auf das faulende Holz. Der kleine Kerl hat nichts Schnelleres zu tun als auf der anderen Seite wieder herabzufallen. Liegt dort auf dem Rücken und strampelt verzweifelt mit seinen Beinchen, kommt dann doch wieder in die richtige Lage und klettert eilig davon.

       Geros angestrengtes Lächeln will nicht so ganz gelingen. Wie ähneln die Bemühungen des kleinen Käfers doch seinem Leben! Carola sitzt neben ihm auf einem Baumstamm, fragend schaut sie ihn verwundert an. »Warum lächelst du?« Sie fragt irritiert, wartet. Er schweigt. Eine nichtssagende Handbewegung, der hilflose Blick zur Seite drückt seine Unsicherheit aus. Carola schaut ihn immer noch an. Er weiss, dass sie ihn nicht verstehen wird. Wie sollte das auch sein? Im letzten Jahr, seit dem schweren Unfall, hat sich ihre Beziehung immer mehr getrübt, es war nichts übrig geblieben von ihrer Liebe als eine Verbindung, die kaum über das Oberflächliche hinausging. 

       Gero wendet den Kopf, blickt lange auf die Waldlichtung hinaus, wo erste Nebelschwaden über dem kleinen Bach schweben. Dann seine Antwort: »Ach, nichts Wichtiges, ich sah nur ein paar Bilder vor mir!« Sie senkt den Kopf, sieht zu Boden, eine endlose Reihe von roten Waldameisen zieht dort zwischen Kiefernnadeln ihre Bahn. »Ach ja?«  Auf ihrer Stirn werden ein paar Falten sichtbar, er kennt das, es ist ein untrügliches Zeichen von Unmut. »Früher haben wir unsere Gedanken immer ausgetauscht«, meint sie dann, »auch scheinbar Unwichtiges kann wichtig sein. Es sind Deine Worte!« 

       Er sieht sie an. Ihr blondes Haar konkurriert mit dem Blau ihrer Augen, einige Sommersprossen, die sie selbst so hasst, geben dem schmalen Gesicht einen Touch von Kindlichkeit. Der Ohrschmuck aus Lapislazuli setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf. Carola ist eine wirkliche Schönheit. Sie hatte ihn schon damals bezaubert, als sie noch zusammen in der Theatergruppe spielten. Und er war auch mächtig stolz, dass er derjenige war, der ihr Herz erobert hatte. Über drei Jahre ist es nun her, Jahre, die so wechselvoll waren wie meist das ganze Menschenleben auch. Freude und Glückseligkeit, Schmerzen und bittere Leiden. 

    »Wichtig. Unwichtig. Was macht das für einen Unterschied? Ändert das mein Leben? Unser Leben?« 
Er hat einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Warum heuchelt sie? Er weiss doch schon seit einigen Tagen aus einem Gespräch mit Freunden, dass sie sich von ihm trennen will. »Es ist unser letzter Tag heute, nicht wahr, Carola? Warum sagst du nicht direkt, was du meinst? Auch das ist wichtig, jedenfalls für mich!« Er spürt wieder diesen Druck auf der Brust, der ihm das Atmen schwer macht.

    »Du versinkst wieder in Selbstmitleid?« Ein wenig spöttisch klingt das schon aus ihrem Mund. Jedenfalls spürt er es so. »Nun gut, mein Freund! Ich will dir dann auch sagen, dass ich lange, sehr lange hin und her überlegt habe, was aus uns beiden wird. So geht es einfach nicht mehr. Ich brauche Leben um mich herum. Du jedenfalls ziehst dich immer mehr von allem zurück. Das meinen auch alle Freunde!« Ihre Stimme wird lauter, etwas schrill. Dann tippt sie mit dem Finger auf seine Brust: »Du denkst, es dreht sich alles nur noch um dich, ja? Bist du die Sonne? Nein, du bist nur der Mond, der sich von der Sonne bescheinen lässt! Verstehst du? Nur der Mond!«

       Verwirrt schaut er sie an. Heiss steigt es in ihm auf, seine Gefühle drehen sich unablässig im Kreise. So hat er sie noch nie erlebt. Dann sagt er leise mit heiserer Stimme: »So? Und du bist dann die Sonne, ja? Meine Sonne? Die mir das Licht gibt, ja?« Er schüttelt den Kopf, erfasst wahllos einen Zweig des Unterholzes, zerbricht ihn, wirft ihn zu Boden.
»Wie selbstgerecht du doch bist, Carola.« Sie erhebt sich, läuft erregt ein paar Schritte auf dem Waldweg entlang, kommt zurück, bleibt vor ihm stehen: »Selbstgerecht? Ich habe immer zu dir gehalten, auch in deiner schweren Zeit. Immer war ich für dich da. Aber irgendwann kann man halt nicht mehr, verstehst du? Da ist man ausgebrannt, einfach alle!«

       Er schweigt, weiss ja insgeheim, dass diese Worte der Wahrheit entsprechen. Sie hat ein Recht auf ihr eigenes Leben, er kann einfach nicht erwarten, dass sie ihm alles opferte. »Carola, ich, ich liebe dich doch!« Seine Stimme klingt rau, fast tonlos. Sie steht schweigend vor ihm, den Schein der untergehenden Sonne in ihrem Rücken, das Gesicht völlig im Schatten. Schaut ihn lange an. Dann flüstert sie mit verhaltenen Worten: »Ich glaube, ich muss jetzt gehen!«

       Fast unmerklich nickt er mit dem Kopf, schliesst fassungslos die Augen. Und wie aus unerklärlichen Sphären, aus den Wipfeln der hohen Bäume klingen Töne an sein Ohr, Takte aus Beethovens Neunter, schwellen an, brausen empor und verstummen dann mit einem Paukenschlag.

       Carola steht immer noch vor ihm, beugt sich zu ihm herab, küsst ihn auf die Stirn, streicht dann sanft mit der Hand über seine geschlossenen Augen.
»Lebewohl, Gero!« Er spürt noch lange diese kleine Berührung, plötzlich ist Beethovens Musik wieder da, machtvoll, nimmt seine ganzen Sinne gefangen, während seine Schultern zucken und die Hände zittern. Als er nach endlos langer Zeit die Augen öffnet, ist sie gegangen. Nur ein Schwarm Mücken tanzt lautlos an der Stelle, an der Carola gestanden hatte. 

       »Ja, dann musst du gehen!« Er flüstert es leise in die Stille des Abends hinein, löst die Bremsen seines Rollstuhls, rollt langsam auf dem Waldweg heimwärts, sehr kraftvoll, aber die Augen blind vor Tränen.

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8.7.24

Vorbei?

 
















Auf einmal war es vorüber. Lang erwartet, mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht, vor-kritisiert und von allen Seiten beleuchtet. Das Sommermärchen 2.0, das allen Interessierten dann doch nicht das erwartete Happy-end bescheren konnte, weil - ja warum eigentlich? Weil die Trauben dann doch noch nicht reif genug waren und man aus der Maische nur interessanten farbigen Essig zaubern konnte?

       Es ist nun mal das Gesetz solcher tollen Events: Einer kann nur der Gesamtsieger sein! Man kann einige Tage voller Hoffnung sein, dass alle Mitbewerber nicht den eigenen Level erreichen. Je nachdem nun der eigene Enthusiasmus auf die Spitze getrieben wird, bleibt dann die Enttäuschung in Grenzen oder fällt auf einen Zustand unter -50% des Vortages zurück.

       Der gewaltige (wirtschaftliche) Aufschwung, der beim Gewinn des ersten Platzes erwartet wird, fällt in sich zusammen, überlässt einer gewissen »Katerstimmung« seinen Platz. Bis dann irgendwann entdeckt wird, dass es ja gar nicht so schlimm ist, nicht an der Spitze zu stehen. Es bleibt immer der Aufruf, »nächstes Mal« von Neuem nach dem »Super-Cup« zu greifen! Irgendwie muss doch ein neuer Anreiz geschaffen werden, sonst geht alles völlig sinnlos an allen Beteiligten vorüber.

       Die finanziell hauptbeteiligten Partner wie UEFA oder FIFA erfinden doch immer wieder neue Wettbewerbe, um die FAN-Massen bei Laune zu halten. Die WM´s (oder EM´s) haben schon lange ihre Unschuld verloren!

(Wie die Olympischen Spiele auch, wer erinnert sich noch an die Zeit, als nur Amateure mitmachen durften? Thomas Morus »Utopia« ist auch im Sport kein Fremdwort mehr.)

Aber die Freude am Sport soll sich niemand nehmen lassen. Nur dass man im bitteren Ernst darin verharrt, ist kontraproduktiv! Im Zweifelsfall hilft stets ein Lächeln - auch wenn es vielleicht etwas gequält ist! 
Sehen wir uns 2026 bei der Fussball-WM wieder? Oder schon in den nächsten Tagen in Paris bei OLYMPIA? Bitte nicht den Spass verderben lassen ...

7.7.24

Anno Juli/´45

 


Ich fand einen Bericht von anno ´45, der mir interessant erschien, vielleicht auch für Euch?

Ich möchte ihn erwähnen, damit die Verhältnisse einmal gerade gerückt werden, die heute oft ins Extreme ausufern. Ich bitte um Entschuldigung, wenn das jemand als Provokation auffassen sollte - aber es ist dann auch gewollt...

 Donnerstag, 19.Juli 1945

Die Tagesrationen werden in der amerikanischen Zone auf 1550 Kalorien pro Tag festgesetzt, Bergarbeiter erhalten 3400, Kinder 1750 und werdende Mütter 2700 Kalorien. In Frankfurt beträgt die derzeitige Wochenration für Erwachsene: 1500 g Brot, 150 g Fleisch, 75 g Butter, 2500 g Kartoffeln, 1/8l Milch (täglich), 62,5 g Zucker, 62,5 g Nährmittel, 31 g Käse, 31 g Quark und 1/2 Ei.

 Quelle: [Deutsche Geschichte von Tag zu Tag:
19. Juli 1945. S. 13309

6.7.24

Freitag, der 13.

 


 
















Es war in der dritten Woche meiner Radwanderung durch unser schönes deutsches Land. Meppen im Emsland war das letzte Etappenziel des Vortags gewesen. Wohlig ausgeruht und gut gestärkt sattelte ich meinen Drahtesel, verabschiedete mich von der freundlichen Pensionswirtin und mit einem sorgenvollen Blick in den magentaroten Morgenhimmel machte ich mich auf den Weg nach Norden. Es dauerte auch nicht lange, da zeigte der Himmel mir seine unangenehme Seite, Wolken hingen wie nasse Federn über dem Radweg an der alten, kaum befahrenen Bundesstraße.

         Dann kam der Regen! Stundenlang regnete es ununterbrochen wie aus Gießkannen. Ich wusste schließlich nicht mehr, wie lange ich schon unterwegs war, jedes Zeitgefühl schien mir abhanden gekommen zu sein. Die Gegend, in der ich mit meinem Drahtesel unterwegs war, hatte mich beim Morgenrot noch zu lautem Singen animiert. »Und die Morgenfrühe, das ist unsere Zeit, wenn die Winde um die Berge singen ...«.

       Leider war mir dieses Hochgefühl dann doch nach einiger Zeit abhanden gekommen. Wer im strömenden Regen auf einem Radweg in einer einsamen Landschaft noch Lust hat, Wanderlieder zu singen - der muss wohl eine besonderer Mensch sein! Oder leicht angeknackt! Ich jedenfalls fluchte - laut und leise - vor mich hin, mir war nach allem zumute, nur nicht nach Gesang. Das Regencape hatte ich zwischendurch aus lauter Frust schon weggeworfen, nun war ich nass wie eine Katze, die in den Bach gefallen war.     Verzweifelt hielt ich Ausschau nach irgendwelchen Unterstellmöglichkeiten, nichts Derartiges war zu sehen. Bäume, gewiss, die gab es zur Genüge. Die jedoch trugen zur Lösung meines Problems nicht das Geringste bei! Ja - und dann - um das Maß der Freude voll zu machen: Das Hinterrad war »platt«! Wie auch immer, ich musste in den sauren Apfel beißen und mit dem zum Glück vorhandenen Flickzeug dem Schaden zu Leibe rücken! Das bedeutete nun: Bei strömendem Regen sämtliches Gepäck abladen, schimpfen, Hinterrad ausbauen, schimpfen, Schlauch flicken, schimpfen, Hinterrad einbauen, schimpfen, Gepäck wieder festzurren. Und dazu weiterhin das weiche Wasser aus Himmelshöhen gratis zum Kühlen.

      Langsam kam dann doch eine stoische Ruhe über mich! Sei es, dass meine Energie von der ganzen Meckerei am unteren Ende der Skala angelangt war; sei es, dass mich der Regen so abgekühlt hatte, dass der Rote Bereich schon nicht mehr erkennbar war: Ich konnte über die ganze Situation lächeln. Nicht nur lächeln, nein - ich lachte aus ganzem Herzen über meine Lage! Ich lachte und lachte, sicherlich war es der ganze Frust vorher, der sich nun in dieser Heiterkeit entlud. Und dieses Gelächter schien nicht enden zu wollen und es dauerte sicher eine Viertelstunde lang, bis ich meine Lachmuskeln wieder unter Kontrolle hatte.         Dann setzte ich mich wieder auf den Sattel und versuchte dem von vorn kommenden Wind - (der Wind kommt auf dem Rad immer von vorn!) - und dem Regen Paroli zu bieten. Seltsamerweise aber störte es mich keineswegs mehr. 

       Stunden später erreichte ich eine kleine Ortschaft. Der Dorfgasthof schien mir das Ziel all meiner Wünsche zu sein. Hier wollte ich übernachten, um danach am nächsten Morgen frohgemut in die Pedalen zu treten. Mein Blick fiel auf mein Äusseren. Ich erschrak. Mein Aussehen glich einem Vagabunden, der drei Wochen weder Bett noch Bad gesehen hatte. Regen und Schmutzspritzer hatten das Ihrige getan, um mich so katastrophal aussehen zu lassen. 

»LINDENHOF«, dieses wundervolle Schild verhieß mir Erholung und Schlaf. Dann jedoch sah ich in Gedanken einen Wirt vor mir, der mich von oben bis unten mustert und dann abschätzig zu mir sagt: »Ich hab kein Zimmer frei!« Ich fasste all meinen Mut zusammen und betrat die Gaststube. Ein anheimelnder Raum, blitzsauber und einladend. Aus den Nebenzimmern erklang Musik, Tanzmusik, lautes Reden und Gelächter. Der Wirt musterte mich zwar auch, als ich meinen Wunsch nach einem Zimmer vorbrachte. Dann aber sagte er: »Ich hab nur ein Doppelzimmer frei, wenn es recht ist?«

       Ich hätte ihn umarmen können. Endlich ausruhen, schlafen. Welch eine paradiesische Aussicht. Natürlich sagte ich sofort zu, holte dann mein Fahrrad und das Gepäck in den Hof um dann als erstes ein ausgiebiges Duschbad zu nehmen und mich umzuziehen. Ein herrliches Abendessen hatte ich mir schon beim Wirt bestellt.

         Als ich mich dann später wieder in einen normal aussehenden Menschen verwandelt hatte, betrat ich das Gastzimmer, um mein Abendessen zu genießen. Mein Blick fiel auf die sechs Tische im Gastraum. Es war nirgendwo für mich gedeckt! Ich schaute mich enttäuscht um, der Wirt trat hinzu, sah mein fragendes Gesicht und meinte dann, auf das Nebenzimmer zeigend: »Abendessen gibt es hier nebenan!« Gottlob, doch noch eine Mahlzeit, mein Magen hing schon auf Halbmast. 

     Ich betrat das Nebenzimmer und war plötzlich von einer großen Anzahl lustiger Menschen umringt. Sekt wurde mir angeboten, ein Platz ,an einer langen, festlich gedeckten Tafel freigemacht. Dann saß ich mit einer Vielzahl von gutgelaunten freundlichen Menschen zusammen und nahm an einer Mahlzeit teil, an die ich nicht im Traume hätte denken können! Die Hauptpersonen dieser Feier, ein Hochzeitspaar aus dem Dorf, nahm mich in diesen Kreis auf, integrierte mich in eine Gemeinschaft, von der ich noch Stunden vorher nichts wusste. Es wurde noch ein ausgelassenes Fest, Tanz und Gesang, witzige Reden und gute Gespräche liessen mich meine Müdigkeit vergessen. Als ich mich um Mitternacht schon ziemlich angeheitert, von der Gesellschaft verabschiedete, glaubte ich, in einem Märchen gewesen zu sein.

       Trotz des Lärms, der in den unteren Räumen noch herrschte, fiel ich in einen tiefen, erholsamen Schlaf, aus dem ich erst spät am Samstagmorgen erwachte. Das Frühstück später in der Gaststube nahm ich mit den Wirtsleuten gemeinsam ein. Wir redeten noch sehr lange über den gestrigen Abend, meine neugierigen Fragen aber wollten sie mir nicht beantworten.

       Am späten Vormittag verabschiedete ich mich, als ich dann jedoch die Rechnung verlangte, schaute der Wirt mich über seine Brille hinweg verwundert an: »Wieso Rechnung? Das ist schon alles bezahlt!« Mein verdutztes, fragendes Gesicht brachten ihn dann doch wohl zum Lachen. »Sie müssten sich jetzt einmal sehen«, sagte er dann, »solch ein Gesichtsausdruck ist einen Preis wert«. Und wie eine Prämie reichte mir dann die Wirtin noch ein gefülltes Körbchen mit den Worten: »Damit Sie unterwegs nicht hungern müssen!«

  Gestern war wieder Freitag, der Dreizehnte! Glückstag - Unglückstag? Aber ich bin nicht abergläubisch. Nein, wirklich nicht, musst Du mir glauben. Bin es auch nie gewesen. Aber seit jenem Freitag schaue ich mir jeden Kalender immer ganz genau an. Darauf kannst Du Dich verlassen! 

2.7.24

Nutze deine Zeit

 















In der Schule lernte ich einst, dass Materie weder erschaffen noch zerstört wird, sie verändert sich nur. Genauso denke ich, dass auch die Beziehungen zwischen den Menschen niemals ganz verschwinden, sondern sich tatsächlich nur verändern.

        Treue, Liebe, Freundschaft, familiäre Zuneigung, Vertrauen, Schuld, Feindseligkeit, Groll, Leid - all diese trivialen Leitsätze verändern sich in ihren Inhalten ständig. Mit den wandelnden Zeiten sind sie trotz allen anderslautenden Beteuerungen längst nicht mehr das, was sie waren, sondern werden zu etwas anderem, weder besser noch schlechter, eben anders!

       Manchmal höre ich von jungen Menschen, das sie die Freundschaft preisen und auch fest an ihre Unzerstörbarkeit glauben. Sie denken, dass alles, was sie heute unverbrüchlich miteinander verbindet, niemals mehr verschwinden wird. Ein auf ewig angelegtes Bündnis also. Dazu muss ich sagen, dass meine Meinung in der Vergangenheit mit diesen Aussagen völlig konform ging. Ich kann dann nicht umhin, den jungen Menschen zu sagen, dass sie jeden Moment nutzen sollen, weil sie es in einigen Jahren vielleicht nicht mehr tun werden.

       Sie können es heute noch nicht verstehen, auch nicht glauben, aber sie werden nie wieder zu denen werden, die sie heute sind, Und sie werden nicht in der Lage sein, das wiederzugewinnen, was sie verlieren. Es ist sehr schwer lernen zu müssen, ohne diese Gefühlsregungen zu leben, die sie einst hatten, zumal es fast unmöglich ist, das heute schon zu akzeptieren.

       Die Jugend ist die goldene Zeit unseres Lebens! Sie ist das Beste; vielleicht ist auch die Erinnerung dafür verantwortlich, die sie verschönert und die Schattenseiten verbirgt? Denn ohne Zweifel gab es viele jener Dinge, an die wir uns zu erinnern glauben, die jedoch nicht so geschehen sind.

       Wir werden nie wissen können, was wirklich passiert ist, wenn wir uns daran erinnern. All das ist im Nebel der Zeiten untergegangen. Besser gesagt, es hat sich in etwas ganz anderes verwandelt, das wir nun als etwas Neues erkennen, als wenn es die wahre Wirklichkeit war!

       Das ist die Frage, die ich mir stelle, wenn ich zurückblicke und mich an meine Jugend erinnere. Viele andere Fragen wurden schon seinerzeit in mir aufgeworfen, die ich in meinen Lebenserinnerungen »Tausend Jahre« zu beantworten versucht habe.

Wahrscheinlich aber ohne Erfolg …

1.7.24

Mauern

 


Ich rede nicht gern über Mauern. Sie trennen Menschen, sie trennen Situationen, sie trennen all jenes, das eigentlich eine Gemeinsamkeit sein müsste. Ich wüsste nur gern den Grund für diese ewigen Teilungen!

      Wer oder was bringt uns in die Lage, Mauern zu errichten? Was treibt uns dazu an? Eine Mauer deutet unsere Position in dieser Welt an. Existierend befinden wir uns auf der einen oder anderen Seite. Wenn es eine Mauer gibt, steht uns nicht mehr der gesamte Raum zur Verfügung, um uns frei bewegen zu können. Sie schränkt uns ein. Wir können ihr ausweichen, wir können sie ignorieren, nicht anschauen, so tun, als gäbe es so ein Ungetüm gar nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie verschwindet. Die Mauer ist da, trotz allem Herumreden.

     Es gibt Millionen von Mauern auf dieser Welt, das ist uns bekannt.. Kleine Mauern, grosse Mauern, kurze Mauern, einfache Holzzäune, Barrieren mit Stacheldraht, hohe Mauern, niedrige Mauern, die Vielfalt ist immens. Die Gebiete, in denen wir leben, sind komplett zerschnitten, Routen führen um Mauern herum oder durch diese hindurch, streng markiert. Alle Mauern haben Türen, Tore oder blosse Durchgänge, die bewacht werden können oder nicht. Zusätzlich zu den physischen Mauern, wie zum Beispiel die, die Berlin teilte, gibt es psychologische Mauern, kulturelle Mauern, religiöse Mauern, es gibt Mauern von alle Formen und Konsistenzen, die wir nach unserem Willen oder unserer Fähigkeit überwinden.

       Wir können eine Mauer verachten, indem wir ihr nicht die geringste Bedeutung beimessen; dies geschieht, wenn die Existenz der Barriere überhaupt nicht direkt in unser Leben eingreift, oder unsere Überzeugungen sehr verletzt. Es ist ganz leicht, eine Mauer völlig zu ignorieren, wenn sie nur den Nachbarn stört, mich aber völlig kalt lässt, nicht wahr?

       Die Existenz von Mauern kann durchaus gerechtfertigt sein - oder nicht: Doch jede Mauer, ob real oder psychologisch, steht nun mal konkret mitten in unserer Welt - und Zeit! Mauern trennen, ob man es will oder nicht. Die Trennung betrifft Länder, Menschen, Gedanken, Anschauungen. Eines ist dabei völlig klar - Frieden auf dem Erdball kann es nur geben, wenn alle diese unsäglichen Bauwerke abgeschafft würden. Da dies jedoch niemals geschehen wird, ist auch ein Friede auf Erden völlig illusorisch ...

 


30.6.24

Mein Freund Milan

 


 









Eigentlich hieß er ja Grzk. Milan Grzk, um genau zu sein. Aber jeder im Betrieb nannte ihn nur Milan. Als er in den sechziger Jahren als "Gastarbeiter" nach Deutschland kam, hatte er die Hoffnung, einen Zipfel des Glücks zu erhaschen, von dem die Leute in dem kleinen Dorf Dubrovčak an der Sava erzählten, wenn sie mit erwartungsvollen Augen von Njemačka sprachen. Deutschland schien für Milan und seine Freunde das Paradies zu sein. Viele ließen sich damals anwerben, um in der Ferne zu arbeiten, damit sie ihre Familien besser versorgen können. 

    Milan hatte sehr großes Glück, er fand einen Arbeitsplatz in einer westfälischen Textilfabrik, in der auch ich in leitender Stellung tätig war. Da er schnell eine Werkswohnung bekam, war es kurzfristig möglich, Frau und Töchterchen nachzuholen. Alles in allem - es ging ihm gut, die Zufriedenheit leuchtete richtig aus seinen Augen. Das Lächeln, mit dem er mich an jedem Morgen begrüßte, war so herzerfrischend, dass ich mich jeden Morgen freute, ihn zu sehen.

      An einem herrlichen Oktobertag hatte Milan mich zu sich nach Hause eingeladen, er wollte mir seine Familie vorstellen. Gern hatte ich diese Einladung angenommen, gleichzeitig aber auch erwähnt, dass sie ja keine grossen Umstände machen sollten. Mit einem kleinen Gastgeschenk machte ich mich dann auf den Weg. Freudestrahlend öffnete Frau Grzk mir die Tür, empfing mich mit einer Herzlichkeit, die ich so in dieser Form selten erlebt hatte. Mattea war eine wunderschöne Frau, so eine richtige dalmatinische Schönheit. Ihre dreijährigen Zwillinge, niedlich und wohlerzogen, fassten auch gleich Vertrauen zu mir und so ließ sich der Nachmittag gut an. 

       Milan erzählte aus seiner Heimat, erwähnte dann dabei, dass Mattea den besten Kaffee nach einer alten kroatischen Weise kochte! Das wollte ich mir dann aber auch nicht entgehen lassen. Dieser Kaffee wird in einem Kupferkessel vorbereitet. Der gemahlene Kaffee - pro Tasse zwei Teelöffel - wird mit der entsprechenden Menge von kaltem Wasser angesetzt. Dann wird das Wasser mit dem Kaffee zum Kochen gebracht, gleichzeitig noch eine ziemliche Portion Zucker zugefügt. Da dieser Kaffee im Endeffekt sehr stark ist, gehört eben auch viel Zucker hinein. Heiß wie die Liebe, süß wie ein Kuss und schwarz wie die Nacht, heißt es nicht so?

     Nach einer Weile wurde uns dann von Mattea dieser Kaffee kredenzt. Es war eine Zeremonie, die dort ablief. Irgendwie kam ich mir vor wie bei einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Die Teppiche auf dem Boden und an den Wänden sowie unzählige Kissen taten ein Übriges, um diesen Anschein zu stärken. Dann kam der große Augenblick, da ich den Kaffee genießen sollte. Erwartungsvoll sahen mich vier Augen an, ich spürte richtig den Stolz Milans auf seine Frau Mattea. Ich nahm meine Tasse, führte sie zum Munde, der Kaffee war siedend heiß, dann der erste Schluck - es war wirklich ein einzigartiger Kaffee, so etwas hatte ich wirklich noch nie getrunken. 

      Milan fragte andachtsvoll: »Na, iis das guttt?« Ich hatte den ersten Schluck überwunden, nickte mehrmals heftig zustimmend, bekam dann jedoch einen leichten Hustenanfall. »Ja«, krächzte ich danach, »sehr gut!« Danach trank auch Milan seinen Kaffee. Das heißt, er wollte ihn trinken! Nach dem ersten Schluck sprang er auf, prustete laut in ein Taschentuch und gab dann einige unverständliche Worte von sich. Mattea, die aus der Küche herbeigeeilt war, brach in Tränen aus und lief weinend wieder hinaus. Des Rätsels Lösung? Die gute Mattea hatte in der Aufregung aufgrund dieses deutschen Besuches statt des Zuckertopfes den Topf mit dem Salz erwischt! Die Menge hätte gereicht, um eine Gulaschkanone voller Suppe zu salzen! Es wurde trotz dieses Vorfalls noch ein schöner Abend! Bei einer Flasche rotem Plavic ließ es sich auch gut erzählen.

     Als ich mich später von meinen Gastgebern verabschiedete, drückte mir Mattea ein Küsschen auf die Wange und bat noch einmal für diesen Unfall um Verzeihung. Wenn Milan und ich in späterer Zeit in der Kantine einen Zuckerstreuer sahen, brachen wir stets in lautes Gelächter aus. Im ganzen Raum konnte sich niemand erklären, warum wir immer so lauthals lachten!

 

27.6.24

Direkte Worte

 



 









Ist es Dir, lieber Leser, schon einmal passiert, dass Du das Gefühl hattest, dass das, was Du sagen wolltest, dringend und sicherlich wirklich richtig war, dass es aber nicht jedem, der Deine Worte hört, gefallen wird, wenn Du es sagst? Natürlich, ist Dir das schon passiert, es ist Teil unser aller Leben. Es geht hier um die Wahl zwischen Sprechen oder Schweigen.

       Stell Dir nun eine zusätzliche Information vor: Diejenigen, die dir mit gesenkter Nase zuhören, hätten volle Macht über dich. (Sag bitte nicht, so etwas wäre Unsinn!) Diejenigen Menschen, die Deine Worte wie Stecknadeln unter ihren Fingernägeln spüren, könnten dabei über Dinge entscheiden, die Deine Aufmerksamkeit voll brauchen, Deine ganze Kraft und Energie, und auch Deinen Lebensmut!

        Sie könnten Dich damit davon abhalten, ein wenig glücklicher zu sein (oder weniger unglücklich, es ist wie in dieser Szene, in der das Glas halb voll oder halb leer ist). Ist solch eine Situation nicht vorstellbar? Geschieht solches nicht täglich im Parteienhader? Nimm doch einmal folgende Interpretation:

Die Partei, der Du angehörst, hat plötzlich völlig andere Ziele im Programm, als bisher überhaupt möglich schienen. Du jedoch bist damit nicht einverstanden und stehst nun vor der Entscheidung Deines Leben. Was nun tun? Trotzdem weiter zu den (veränderten) Zielen stehen - oder eine Wende vollführen?

       Vor diesen Bedingungen stehen nun viele Mitglieder der AfD. Darf man sie verurteilen, weil sie den Kurs »ihrer vorherigen Partei« nicht mehr akzeptieren wollten? Ich denke nicht! Jedem, dem einmal an einer Kreuzung ein falscher »Abbieger« unterlaufen ist, steht doch das Recht einer Berichtigung zu! Dass sich danach viele Mitläufer ohne besondere Einstellung einfinden, ist völlig normal und war schon zu allen Zeiten so. Auch im sogenannten »1000jährigen Reich«!

       Es ist einfach, jemand für seine Einstellung zu »brandmarken«. Warum nicht auch einmal nach den inneren Gründen fragen. In wie vielen Sparten unseres Lebens finden täglich »Vorverurteilungen« statt, deren Ziel nichts anderes ist, als den Menschen in eine Abseitsstellung zu bringen. Hüten wir uns davor, da mitzumachen! Im »Vaterunser« der christlichen Kirchen heisst ein Gebetsteil:

         … und vergib uns unsre Schuld - wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!

Dieser zweite Halbsatz aber gerät meist in Vergessenheit!

26.6.24

Was ist Wahrheit?

 













Drei Wege gibt es in der Philosophie, für die Definition des Begriffs Wahrheit:
a) Wahrheit = Zu sagen, wie es wirklich ist!
b) Wahrheit = Was mit der Realität übereinstimmt!
c) Wahrheit = Was zu ihrem Sinn passt!

In den ersten Jahrhunderten war es für die Kirche angenehm zu glauben, dass Pilatus den Galiläer Jesus nicht hätte verurteilen dürfen und dass er das auch selbst erkannt hatte. Die Geschichte wurde wieder einmal verletzt, wie schon vorher so oft. Wer eigentlich glaubt daran, dass es Wahrheit in der Weltgeschichte gäbe, wenn die Ereignisse jeweils ein Jahrhundert danach aufgezeichnet würden?

Was also ist Wahrheit? Was ist Lüge? Pilatus hat Jesus verurteilt. Das Zitat zu diesem Fakt stammt von einem antiken Geschichtsschreiber, in dem sowohl Richter als auch Verurteilter zu finden sind, es stammt von Tacitus. Er schreibt etwa 70 Jahre später über die Christen, denen Kaiser Nero angeblich den Brand Roms in die Schuhe geschoben hatte:
»Der, von dem dieser Name ausgegangen, Christus, war unter der Regierung des Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden …«
So kehren sich die Verhältnisse im historischen Gedächtnis um. Denn während die Anhänger Christi das römische Weltreich – und später die halbe Welt – erobern, bleibt für den Statthalter kaum mehr als die Rolle einer Fußnote, die diese Lebenszeit eines Religionsstifters enthält.

 Nichts bleibt von ihm übrig, er wird 37 n.Ch. nach Gallien versetzt und stirbt dort als Randfigur der Geschichte. Wir sollten daher nicht fragen, ob die Wahrheit bereits von dem Mann infrage gestellt wird, der diese bedeutungslose Frage gestellt hat: 
»Quid est veritas?«

 Es geht doch weiter und weiter mit Wahrheit oder Nichtwahrheit. Zu lügen oder nicht die Wahrheit zu sagen, um jemanden nicht zu verletzen, oder eine Realität zu verstecken, ist etwas, was wir alle schon einmal in unserem Leben getan haben.
Wir wollen uns da doch nichts vormachen. Wir fürchten uns davor, anderen wehzutun. Wir schämen uns vielleicht davor, was andere von uns denken könnten und wir weigern uns, unsere Gefühle zu zeigen.
Aber wenn wir nicht die Wahrheit sagen oder auch nur die Hälfte versteckt halten, dann bewirkt das doch etwas in uns. Es erinnert uns daran, dass wir nicht ehrlich mit uns selbst sind! Wir spüren genau, dass dies falsch ist.

Vielleicht ist es genauso verwerflich, zu lügen, wie nur die halbe Wahrheit zu sagen? Manchmal verbergen wir unsere Altersangabe, warum eigentlich? Wir verstecken unsere Gefühle, verbergen wichtige Dinge, von denen wir glauben, dass sie nur uns etwas angingen. Dieser Beweggrund kann uns jedoch schnell in eine fremde Realität versetzen. Er kann uns zu jemand anderem werden lassen, als der oder die wir wirklich sind! Ehrlichkeit ist eine der fundamentalsten Eigenschaften, die nötig sind, um mit anderen Menschen positiv zu interagieren. Es ist unabdingbar für uns, darauf zu achten und sie zu respektieren, damit sie uns in all unseren Taten und Worten begleitet.

Bitte, nicht vergessen: Unwahrheit entsteht meist durch Angst, es ist eine Emotion, die uns vor vermeintlicher Gefahr beschützen kann. Aber so wie jede andere Emotion können wir sie auch kontrollieren! Neurowissenschaftler haben sich die Frage gestellt, ob Angst ein einfacher Verteidigungsmechanismus gegen psychosoziale Gefahren ist, der uns dazu bringt, die Tatsachen mit Gewalt zu vergessen oder zu verstecken, von denen wir aber wissen, dass sie wahr sind.

Die Wahrheit zu sagen ist tatsächlich manchmal eine Tat, die großen Mut erfordert. Es heißt, direkt aus dem Herzen heraus sprechen und das zu sagen, was wir wirklich denken. Wir verstecken uns dabei nicht hinter einem falschen Schein. Mutig zu sein heißt, in jemand anderes Augen zu schauen und ihm zu sagen, dass wir ihn lieben, oder dass wir ihn nicht mehr lieben. Es heißt dafür zu sorgen, dass unsere Seele und unser Herz durch Worte, die aus unserem tiefsten Inneren kommen, im Einklang sind.

›Die Wahrheit wird sowohl von Lügen
als auch von Stille gestört, sagt der alte Cicero
 Wenn wir die Wahrheit sagen, dann stehen wir irgendwie nackt vor anderen da. Wir zeigen uns so, wie wir wirklich sind. Das aber kann uns Angst machen. Und deshalb kommt dann die Lüge ins Spiel.

Warum bitten wir nicht um Verzeihung, wenn wir etwas falsch gemacht haben? Was hindert uns daran, dann die Wahrheit zu sagen? Ist es die Selbstdarstellung, die wir von uns machten, und die nun nicht zerstört werden soll? Fällt uns dann ein Zacken aus der Krone, die wir uns selbst aufsetzten? Wir alle machen doch Fehler in unseren Leben, täglich. Wenn wir zum Beispiel versuchen, einen anderen Menschen in Schutz zu nehmen, verstecken wir auch schon die Wahrheit. Aber sie kommt immer ans Licht und der Fehler wird bekannt werden, so oder so.  Um Entschuldigung bitten ist immer hilfreich, ehrlich sein und sich hinterher besser fühlen ohne diesen Druck auf dem Herzen! Fehler zu begehen ist menschlich.

Wir tun es unbewusst und das Einzige, was wir versuchen sollten zu tun, ist, eine Lektion daraus zu ziehen. Wir sollten dann dafür sorgen, dass dieser Fehler nicht noch mal passiert. Es geht doch darum, über das nachzudenken, was geschehen ist und ehrlich mit uns selbst und allen anderen zu sein.

Warum lügen die Menschen in ihrem Leben? Generell aus drei verschiedenen Gründen: Um sich an feindliche Umgebungen anzupassen, um Strafen zu vermeiden oder um Belohnungen oder Gewinne zu erhalten. Manchmal lügen Menschen auch, wenn sie sich angegriffen fühlen, um akzeptiert zu werden.

Und manchmal, um der Verantwortung für irgend eine Tat zu entgehen, oder sie lügen über bestimmte Fähigkeiten, um an einen Job zu kommen. Menschen sagen also die Unwahrheit, um belohnt zu werden! Wir lügen, wenn sich unser Ego bedroht fühlt oder wenn wir einen Vorteil aus der Situation ziehen wollen. Die Lüge ist quasi ein Verteidigungsmechanismus, eine Waffe, um überleben zu können. Wichtig aber ist, dass wir zwischen den Menschen unterscheiden, die sich schuldig fühlen und Reue zeigen, und jenen, die überhaupt nichts fühlen und am Ende wirklich noch ihre eigenen Lügen glauben.

Wir sollten nie vergessen, dass die Dinge, die wir verstecken und dass das, was wir nicht sagen, früh oder spät immer ans Licht kommt. Die Wahrheit findet immer einen Weg, sich selbst zu zeigen, denn die Wahrheit befriedigt unsere Seele und macht sie frei. Die Frage »Quid est veritas«, die damals gestellt wurde, müsste umformuliert werden, damit sie korrekt ist. Denn dieses »Was ist Wahrheit?« übersieht die Tatsache, dass Vieles eine Wahrheit haben kann, aber nur Eines die Wahrheit sein kann.

Die Realität ist, dass Pilatus vor über 2000 Jahren direkt vor der ursprünglichen Wahrheit stand. Denn bevor Jesus festgenommen wurde und zu ihm gebracht wurde, machte der schon eine einfache Aussage: »Ich bin die Wahrheit«. Das war schon bemerkenswert. Wie kann ein einfacher Mensch die Wahrheit sein? Das ist unmöglich, ausser er ist mehr als ein einfacher Mensch. Jesus Behauptung wurde in dem Moment validiert, als er von den Toten auferstand! Pilatus erkannte wahrscheinlich nie die Wahrheit. Eusebius, der Historiker und Bischof von Cäsarea, hält fest, dass Pilatus letztendlich - während der Herrschaft des Kaisers Caligula - Selbstmord beging, ein wahrhaft trauriges Ende.-

Was also ist Wahrheit? Ein Wort von Søren Kierkegaard zum Schluss: Je mehr Leute es sind, die eine Sache glauben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ansicht falsch ist! Menschen, die recht haben, stehen meistens allein.

25.6.24

Glanz in den Augen

 




Meine Erinnerung ist oft wie ein Himmel voller Wolken, nachdem ein Sturm ihn leergefegt hat. Manchmal versuche ich angestrengt, mich an etwas zu erinnern, ich spüre, wie es genau dort erscheint, ein wenig erscheint, fast Gestalt annimmt, aber ... verdammt, da geht es wieder den Bach runter, versteckt sich in einem dieser grauen Wölkchen, es ist dann nicht mehr möglich.

       Irgendwann jedoch erscheint so etwas wie ein Leuchten in den Augen, das ich selbst nicht verstehe. Dann überlege ich, was das wohl sein könnte. Dabei ist die ständige Suche nach dem Grund eines Geschehnisses mir gar nicht bewusst.

       Ich muss einfach Geduld mit mir selbst haben.
Wie viele Bücher habe ich gelesen, wie viele Informationen hat mein Gehirn im Laufe seines Bestehens aufgenommen? Wie viele Filme, Lieder, Gemälde, Kunstwerke, Landschaften, Gesichter, gefühlte Empfindungen noch dazu? Wie oft habe ich meine, von Hör-Defiziten geplagten Ohren angestrengt, um etwa eine Melodie, ein Geräusch, ein Lachen besser zu verstehen?

       Meine Welt hat, vielleicht, kein Ende. Dabei ist mir doch klar, dass ich viele Dinge weiß, an die ich mich aber in manchen Augenblicken praktisch nicht mehr erinnern kann. Kurze Zeit später fallen mir diese Antworten unaufgefordert und auch unpassend wieder ein. Kennst Du das vielleicht auch?

       Manchmal erreichen mich unerwartete Informationen und Erinnerungen aus irgendeinem unscheinbaren Winkel meines Gehirns. Ich stelle mir dann vor, dass diese unerwarteten Begegnungen kleine neuronale Unfälle sind, ein Blitz oder etwas anderes, das für eine Nanosekunde meine Schädelhöhle erleuchtet.
Ist es das vielleicht, dass minutenlang den Augen eine Erleuchtung bringt? Wäre doch möglich ...

 

22.6.24

Krieg und Frieden











 

Wir hatten in Deutschland fast 8 Jahrzehnte keinen Krieg mehr. Damit gehörten wir eigentlich zu den Ländern mit den glücklichsten Lebensumständen. Aber war deshalb Frieden? In der Welt auf keinen Fall, oder doch - nach aussen hin schon. Aber was ist denn Frieden wirklich? Nur die Abwesenheit von Krieg? Es gab nie, wirklich niemals wirklich Frieden auf dieser Erde. Irgendwo herrschte immer Unfrieden.

        Vor allem im Vorderen und Mittleren Osten und auf dem Balkan reihte sich doch Krise an Krise. Aber auch viele Länder Ostasiens und Afrikas sowie Mittel- und Südamerikas gehören zu den Unruheherden. Die Politikwissenschaftler zählten seit 1945 (bis 2023) über 400 hochgewaltsame Konflikte, also Auseinandersetzungen, die sich durch massiven Einsatz organisierter Gewalt auszeichnen und gravierende Folgen nach sich ziehen.

         Fünfundzwanzig dieser Konflikte erreichten die höchste Intensitätsstufe und lassen sich somit als Kriege bezeichnen. Damit zählen die Konfliktforscher die weltweit höchste Anzahl von Kriegen seit 1945. Frieden? Was ist denn Frieden wirklich? Ist die Abwesenheit von Krieg denn Frieden? Schön wäre es. Frieden wäre nur, wenn es keine Menschen gäbe! Und selbst wenn es keine grossen Kriege gibt, dann ergreifen innerstaatlichen Konflikte durch Machtgier und Diktatur die Oberhand. Entgegen allen Beteuerungen wage ich zu behupten, dass es niemals auf dieser Erde Frieden geben kann!
Ich denke: dann müsste die Bevölkerungszahl auf dem Stand von Anno1500 sinken. Und selbst dann - siehe der 30jährige Krieg!

        Frieden ist der Wunschtraum aller Menschen seit Beginn des Menschseins, aber gleichzeitig wird der Wille, das andere Volk zu beherrschen - übermächtig. Wie also soll ein ständiger Frieden zustande kommen? Es ist genau so unmöglich, wie die Quadratur des Kreises.

    Wir alle wollen Frieden. Mit dem Menschen in Nicaragua und Somalia, mit allen Leuten in Israel und Palästina, den Diktaturen in Asien und Afrika, mit den Mitgliedern der anderen Partei und den Fans des gegnerischen Fussballvereins, und auch mit dem Nachbarn im Nebenzimmer(!) 

Wer zeigt uns den Weg zum endlichen Frieden auf dieser Welt? Das Dilemma dabei, "Zeigen" allein bringt nie einen Erfolg, das haben wir und auch unsere Vorfahren schon vielfach erlebt. 

Das Leben vieler Menschen ist heutzutage nicht mehr, gut zu sein – sondern es gut zu haben. © Ernst Ferstl (*1955)

18.6.24

Lesen ist unverzichtbar!


 






















Lesen ist gut für uns, das beweisen viele Studien. Und junge Menschen lesen auch gern, wenn auch in der Regel auf andere Weise als ältere Menschen. Eine bemerkenswerte US-amerikanische Studie kam zu dem Schluss, dass Menschen, die täglich mindestens 15 Minuten lesen, ein um 36 % geringeres Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken. Dies ist vor allem für aktive Senioren von Bedeutung, denn Lesen hilft nicht nur, die kognitiven Funktionen scharf zu halten, sondern bietet auch eine Reihe anderer geistiger Vorteile, die die Lebensqualität insgesamt verbessern können.

       So wie körperliche Bewegung die Muskeln stärkt, bietet die geistige Stimulation durch Lesen ähnliche Vorteile für das Gehirn. Regelmässiges Lesen trägt dazu bei, das Gehirn aktiv und engagiert zu halten, was im Kampf gegen kognitiven Verfall, wie Alzheimer und Demenz, von entscheidender Bedeutung ist. Puzzeln und strategische Spiele wie Schach oder ähnliches können ebenfalls dazu beitragen. Insbesondere das Lesen stimuliert verschiedene Funktionen wie Gedächtnis, Konzentration und kritisches Denken auf einzigartige Weise.

       In einer Welt voller Stressfaktoren bietet das Lesen eine willkommene Abwechslung. Für Senioren kann das Abtauchen in eine andere Welt durch ein gutes Buch ein effektiver Weg sein, die täglichen Sorgen für eine Weile zu vergessen. Dies trägt dann zu einer erheblichen Stressreduzierung bei und zu einer besseren emotionalen und körperlichen Gesundheit. Die Lektüre eines bewegenden Romans oder einer inspirierenden Geschichte kann das Wohlbefinden steigern und eine tiefe persönliche Befriedigung vermitteln.

       Lesen bereichert den Geist mit neuem Wissen und kann im täglichen Leben ungeahnte Vorteile bringen. Es ist ein leistungsfähiges Instrument für lebenslanges Lernen, das besonders für Senioren wertvoll ist, die sich weiterhin aktiv an gesellschaftlichen Aktivitäten beteiligen, mit jüngeren Generationen ins Gespräch kommen oder einfach neue Fähigkeiten und Hobbys entdecken wollen. Außerdem ist Wissen etwas, das nicht verloren geht, selbst wenn andere Vermögenswerte oder Fähigkeiten nachlassen. Je mehr ein Mensch liest, desto reicher und ausdrucksfähiger wird seine Sprache. Das ist nicht nur in sozialen Situationen angenehm, sondern kann auch das eigene Selbstvertrauen stärken.

       Die Fähigkeit, sich gut zu verständigen, ist im Alter oft von entscheidender Bedeutung, vor allem wenn es darum geht, Beziehungen zu Freunden und Familie zu pflegen, sei es persönlich oder digital. Beim Lesen muss man sich eine Vielzahl von Informationen einprägen, von Handlungssträngen und Figuren bis hin zu Themen und Dialogen. Diese Tätigkeit stimuliert das Gehirn und verbessert das Kurzzeitgedächtnis, was für Senioren, die ihr Gedächtnis auf Trab halten wollen, von unschätzbarem Wert ist.

       Die Fähigkeit, Informationen zu analysieren und kritisch zu bewerten, wird durch das Lesen in hohem Maße trainiert. Dies kann nicht nur nützlich sein, wenn es darum geht, komplexe Zusammenhänge zu entschlüsseln, auch im täglichen Leben, wo kritisches Denken erforderlich ist, um Entscheidungen zu treffen oder Nachrichten zu bewerten ist es von unschätzbarem Wert.

       In einer Zeit, in der die Aufmerksamkeit ständig zwischen mehreren digitalen Geräten aufgeteilt ist, bietet das Lesen eine seltene Gelegenheit, sich ganz auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Dies kann dazu beitragen, die geistige Klarheit zu verbessern und die Konzentration zu steigern, was für die Aufrechterhaltung eines aktiven und engagierten Geistes unerlässlich ist. Der Kontakt mit verschiedenen Schreibstilen und literarischen Techniken regt die eigene Kreativität an, sei es beim Schreiben von Briefen, beim Führen eines Tagebuchs oder sogar beim Verfassen eines eigenen Buchs.    Mit einem breiten Spektrum an Themen gibt es immer ein Buch, das den persönlichen Interessen und Bedürfnissen entspricht. So bleiben Neugier und Engagement erhalten, die für ein gesundes Geistesleben unerlässlich sind.

       Diese Vorteile des Lesens machen deutlich, wie wertvoll diese Tätigkeit für Senioren sein kann. Es ist jedoch interessant festzustellen, dass trotz des Rückgangs des traditionellen Lesens unter jungen Menschen, diese sich immer noch voll und ganz mit Textinhalten im Internet beschäftigen. Dies zeigt, dass der grundlegende Wert des Lesens - die Beschaffung und Verarbeitung von Informationen - sich über die Generationen hinweg entwickelt, aber gleich bleibt. So bildet das Lesen eine Brücke zwischen den Generationen, bei der Jung und Alt die Macht der Worte und des Wissens zu schätzen wissen.

       Obwohl sich die Art und Weise, wie junge Menschen heute lesen, von der älterer Generationen unterscheidet, ist ihre Beschäftigung mit Textinhalten die gleiche geblieben! Soziale Medien, Blogs, E-Books und sogar interaktive Plattformen wie Foren und Wikis sind allesamt moderne Mittel, mit denen junge Menschen Texte konsumieren und produzieren. Diese Plattformen fördern nicht nur das Lesen an sich, sondern auch das kritische Denken und fordern zur Interaktion auf, z. B. durch das Kommentieren oder Bewerten von Inhalten.

       Die digitalen Inhalte, die junge Menschen konsumieren, sind oft dynamisch. Sie enthalten Hyperlinks, die eine weitere Erkundung von Themen ermöglichen, multimediale Elemente, die den Text unterstützen, und interaktive Funktionen, die eine direkte Reaktion des Lesers hervorrufen. Diese Art des Lesens kann als eine Erweiterung der traditionellen Lesefähigkeiten angesehen werden, wobei die junge Generation lernt, sich in einer viel komplexeren Informationslandschaft zurechtzufinden als in den linearen Texten früherer Generationen.

       Darüber hinaus vermittelt die Art und Weise, wie junge Menschen Informationen online verarbeiten - oft kritisch und vergleichend - ihnen Fähigkeiten, die in der heutigen Informationswirtschaft unerlässlich sind. Junge Menschen lernen, Informationen auf ihre Zuverlässigkeit und Relevanz zu prüfen und entwickeln die Fähigkeit, große Datenmengen schnell zu verarbeiten. Dies sind Kompetenzen, die in vielen modernen Berufen von unschätzbarem Wert sind.

        Trotz dieser Unterschiede in Medium und Stil gibt es eine gemeinsame Basis, auf die sich Jung und Alt beziehen können. Der tiefe Wert des Lesens als Mittel zum Wissenserwerb und zur Persönlichkeitsentwicklung bleibt bestehen, unabhängig von der Form, in der der Text präsentiert wird. Dies bietet eine einzigartige Gelegenheit für den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Generationen. Ältere Generationen können von den digitalen Fähigkeiten junger Menschen lernen, während junge Menschen von der tiefen Leseerfahrung und der kritischen Analyse profitieren können, die traditionelle Leser besitzen.

 

Meine Zeit I.

    Während ich vor einigen Jahren in diesen Teil meines Heimatlandes, in das schöne Ostfriesland, zurückkehrte, verlor ich irgendwann mei...