30.6.24

Mein Freund Milan

 


 









Eigentlich hieß er ja Grzk. Milan Grzk, um genau zu sein. Aber jeder im Betrieb nannte ihn nur Milan. Als er in den sechziger Jahren als "Gastarbeiter" nach Deutschland kam, hatte er die Hoffnung, einen Zipfel des Glücks zu erhaschen, von dem die Leute in dem kleinen Dorf Dubrovčak an der Sava erzählten, wenn sie mit erwartungsvollen Augen von Njemačka sprachen. Deutschland schien für Milan und seine Freunde das Paradies zu sein. Viele ließen sich damals anwerben, um in der Ferne zu arbeiten, damit sie ihre Familien besser versorgen können. 

    Milan hatte sehr großes Glück, er fand einen Arbeitsplatz in einer westfälischen Textilfabrik, in der auch ich in leitender Stellung tätig war. Da er schnell eine Werkswohnung bekam, war es kurzfristig möglich, Frau und Töchterchen nachzuholen. Alles in allem - es ging ihm gut, die Zufriedenheit leuchtete richtig aus seinen Augen. Das Lächeln, mit dem er mich an jedem Morgen begrüßte, war so herzerfrischend, dass ich mich jeden Morgen freute, ihn zu sehen.

      An einem herrlichen Oktobertag hatte Milan mich zu sich nach Hause eingeladen, er wollte mir seine Familie vorstellen. Gern hatte ich diese Einladung angenommen, gleichzeitig aber auch erwähnt, dass sie ja keine grossen Umstände machen sollten. Mit einem kleinen Gastgeschenk machte ich mich dann auf den Weg. Freudestrahlend öffnete Frau Grzk mir die Tür, empfing mich mit einer Herzlichkeit, die ich so in dieser Form selten erlebt hatte. Mattea war eine wunderschöne Frau, so eine richtige dalmatinische Schönheit. Ihre dreijährigen Zwillinge, niedlich und wohlerzogen, fassten auch gleich Vertrauen zu mir und so ließ sich der Nachmittag gut an. 

       Milan erzählte aus seiner Heimat, erwähnte dann dabei, dass Mattea den besten Kaffee nach einer alten kroatischen Weise kochte! Das wollte ich mir dann aber auch nicht entgehen lassen. Dieser Kaffee wird in einem Kupferkessel vorbereitet. Der gemahlene Kaffee - pro Tasse zwei Teelöffel - wird mit der entsprechenden Menge von kaltem Wasser angesetzt. Dann wird das Wasser mit dem Kaffee zum Kochen gebracht, gleichzeitig noch eine ziemliche Portion Zucker zugefügt. Da dieser Kaffee im Endeffekt sehr stark ist, gehört eben auch viel Zucker hinein. Heiß wie die Liebe, süß wie ein Kuss und schwarz wie die Nacht, heißt es nicht so?

     Nach einer Weile wurde uns dann von Mattea dieser Kaffee kredenzt. Es war eine Zeremonie, die dort ablief. Irgendwie kam ich mir vor wie bei einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Die Teppiche auf dem Boden und an den Wänden sowie unzählige Kissen taten ein Übriges, um diesen Anschein zu stärken. Dann kam der große Augenblick, da ich den Kaffee genießen sollte. Erwartungsvoll sahen mich vier Augen an, ich spürte richtig den Stolz Milans auf seine Frau Mattea. Ich nahm meine Tasse, führte sie zum Munde, der Kaffee war siedend heiß, dann der erste Schluck - es war wirklich ein einzigartiger Kaffee, so etwas hatte ich wirklich noch nie getrunken. 

      Milan fragte andachtsvoll: »Na, iis das guttt?« Ich hatte den ersten Schluck überwunden, nickte mehrmals heftig zustimmend, bekam dann jedoch einen leichten Hustenanfall. »Ja«, krächzte ich danach, »sehr gut!« Danach trank auch Milan seinen Kaffee. Das heißt, er wollte ihn trinken! Nach dem ersten Schluck sprang er auf, prustete laut in ein Taschentuch und gab dann einige unverständliche Worte von sich. Mattea, die aus der Küche herbeigeeilt war, brach in Tränen aus und lief weinend wieder hinaus. Des Rätsels Lösung? Die gute Mattea hatte in der Aufregung aufgrund dieses deutschen Besuches statt des Zuckertopfes den Topf mit dem Salz erwischt! Die Menge hätte gereicht, um eine Gulaschkanone voller Suppe zu salzen! Es wurde trotz dieses Vorfalls noch ein schöner Abend! Bei einer Flasche rotem Plavic ließ es sich auch gut erzählen.

     Als ich mich später von meinen Gastgebern verabschiedete, drückte mir Mattea ein Küsschen auf die Wange und bat noch einmal für diesen Unfall um Verzeihung. Wenn Milan und ich in späterer Zeit in der Kantine einen Zuckerstreuer sahen, brachen wir stets in lautes Gelächter aus. Im ganzen Raum konnte sich niemand erklären, warum wir immer so lauthals lachten!

 

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