16.7.24

Nichts war trotzdem Viel!

 















Wie lebten wir Kinder nach dem 2.Weltkrieg? 

Ich weiss nicht, ob es möglich ist, das Leben jener Zeit nachzuempfinden.
Vieles von dem, das heute selbstverständlich ist, war uns überhaupt noch nicht bekannt - weil es das noch nicht gab! Und vieles, das es schon gab, gab es aber
nicht mehr, weil das Benutzen eines Gegenstands doch jeweils von dem Vorhandensein abhängig ist.

       Wie lebten wir also? Wir waren fröhliche Kinder, wenn wir auch viel Leid erfahren hatten, nun aber wieder lachen konnten; wir waren gesunde Kinder, weil wir unser Dasein nicht mit ungesunden Nahrungsmitteln belasten mussten - weil sie nicht vorhanden waren. Wir waren lernbegierige Kinder, weil wir aus dem Zwang der staatlichen Behörden entkommen waren und nun eine freiheitliche Ordnung kennenlernen konnten!

       Und wenn diese wichtigen Anliegen nicht zutrafen, gab es genügend Hilfestellungen, die uns zur Verfügung standen, um hier Ausgleich zu schaffen. (das war wirklich so - wenn es auch unglaubwürdig klingt.) Und mit viel eigener Willenskraft und Übung brachte wir oftmals all das mit unzureichendem Werkzeug und Material aus irgendwelchem Altgeräten das zustande, das heute nur von erfahrenen Fachleuten bewerkstelligt werden kann!

       Das erste Jahrzehnt nach dem Krieg war eine schwere Zeit! Dieses erste Jahrzehnt war jedoch auch eine schöne Zeit! Es brachte das zum Vorschein, das der Krieg lange Zeit verschüttet hatte - das wunderbare Gefühl des »Miteinanders«, in der eigenen Unzulänglichkeit und Hilflosigkeit. Kannst Du, liebe Leserin, lieber Leser, dieses Gefühl nachvollziehen, wenn mehrere Laien etwas schaffen, das als Unmöglichkeit galt - und dennoch zu einem wunderbaren Ergebnis geführt hat?

       Uns Kindern erging es nicht anders. Wir hatten nichts! Aber aus diesem Nichts brachte unsere Fantasie und Einbildungskraft so unendlich viel zum Vorschein, das man sich in der Gegenwart nicht mehr vorstellen kann,

       Wir brauchten zur Kommunikation kein Smartphone, wir trafen uns nicht zum »Abhängen«, sondern brauchten unsere knapp bemessene Zeit für sinnvolle Aufgaben! Knapp bemessen deswegen, weil unser Vater entweder noch in Kriegsgefangenschaft war oder im schlimmsten Fall »für Führer, Volk und Vaterland« sein Leben auf dem »Felde der Ehre« gelassen hatte!

       Wir schrieben noch Briefe - auf echtem Papier - und warteten dann sehnsüchtig auf Antwort! Etwas später trafen wir uns mit den Mädchen zum Tanzabend am Wochenende. Der Höllenlärm in den »Diskotheken« war uns fremd, es gab sie halt noch nicht! Ganz ehrlich: Sie haben uns auch noch nicht gefehlt! Lärm und Gefühl war damals noch etwas, das nicht zusammengehörte!

        Und die Schulzeit? Nach den Hausarbeiten, die von den Lehrern aufgegeben wurden, war das Spielen am Nachmittag angesagt. Wir hatten noch die Möglichkeit in der Stadt, auf der Straße zu spielen! So manche beliebten Gemeinschaftsspiele fanden in Ermanglung von großen Spielplätzen eben auf der Straße statt. Man stelle sich das einmal vor, die Zufahrtsstraße zur Bundesstraße YX wäre von einem Haufen Kinder besetzt, die »Völkerball« spielen …

       Rollschuhe wurden noch an den Schuhen angeschnallt, ebenso Schlittschuhe. Wenn wir bei uns Fußball spielten, hatten wir beileibe keine Fußballschuhe, von Turnschuhen bis zum Barfußspiel war da alles vertreten. Spaß hatten wir allemal. Ob Sommer oder Winter, ob Schnee oder Sonnenbrand, das Leben der Kinder war ohne die moderne Technik für uns Kinder lebenswert.

       Bis - ja bis die modernen Geräte uns einholten, bis das Denken an einem Punkt angelangt war, an dem das große Schild angebracht war: From now on, everything is automated!

14.7.24

Zeit für mich?

 


 













Da war einst ein kleiner Junge, der seinen Vater über alles liebte. In seinen Fantasien war dieser der Superheld, der alle Probleme lösen konnte; aus dieser Zuneigung entstand das Bedürfnis, ihn immer näher bei sich zu haben. Sein Vater liebte ihn ebenfalls, aber auf seine Art, doch er hatte zu wenig Zeit, da er immer zu sehr von seinem Beruf eingespannt war.

       »Papa«, sagte er eines Tages. »Ich habe diese schwierige Mathe-Aufgabe, von der ich nicht weiss, wie ich sie lösen soll. Kannst du mir bitte helfen?« Der Vater schüttelte angespannt seinen Kopf. »Nein, mein Junge, ich habe jetzt überhaupt keine Zeit, weil ich diese Arbeit für das Büro vorbereiten muss.«

       »Aber Papa, es ist sieben Uhr abends und du hast doch schon lange Feierabend!«.
»Nun, so ist es leider nicht, mein Sohn. Ich bin sehr beschäftigt; bitte doch die Mama oder deinen Bruder um Hilfe.«

       Am Wochenende sagte der Junge einem Vater: »Papa, bitte hilfst du mir, dieses Puzzle zusammenzusetzen?«

»Das kann ich jetzt nicht, mein Sohn, weil ich gerade das Auto überprüfen muss, da stimmt etwas nicht.«.
»Aber, Papa …«

»Hörst du nicht, mein Sohn? Ich habe definitiv keine Zeit dafür.«

***

Einige Tage später fragte der Junge seinen Vater. »Papa, erzähl mir doch mal. wie viel verdienst du pro Stunde in deinem Job?«

»Wozu willst du das wissen?«

»Wir haben in der Schule solche Textaufgaben! Nur um es zu wissen«, antwortete sein Sohn.

»Na, so ungefähr 4o Euro in der Stunde, etwa im Durchschnitt.«
»Danke, Papa«, sagte der Junge.

In den darauffolgenden Wochen trug der Junge frühmorgens Zeitungen aus, ohne es jemandem zu sagen und ohne dass seine Familie es merkte. Er machte es solange, bis er insgesamt vierzig Euro beisammen hatte. Als er den Betrag verdient hatte, ging er zu seinem Vater und sagte:

»Lieber Papa, ich möchte dir eine Stunde deiner Zeit abkaufen, damit du sie mir bitte ganz allein geben kannst.“

 

Krieg ist kein Spiel

    Ich bin eigentlich in einer Familie groß geworden, die den Krieg gehasst hat. Dazu haben die Jahre 1914-18 und 1939-45 zu viele Opfer ...