13.7.24

40 Jahre nach 1984

 
















In einem Erzeugnis der Presse las ich, Russland und China würden weniger Waffen in andere Länder exportieren als früher. Was wie eine erfreuliche Nachricht klingt, ist in Wirklichkeit ein schwacher Trost. Denn die autoritären Regime brauchen natürlich die Waffen der heimischen Rüstungsindustrie selbst – Moskau für den Angriffskrieg in der Ukraine, Peking zum Bau einer „Großen Mauer aus Stahl“, wie es Präsident Xi Jinping angekündigt hat.

      1989, mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, waren die damit verbundenen Hoffnungen groß, eine militärische Konfrontation autoritärer und demokratischer Systeme lasse sich dauerhaft überwinden. Sie haben sich als trügerisch erwiesen. Im Gegenzug zur russischen Invasion in der Ukraine rüstet nun auch Europa auf. Die USA exportieren Waffen mehr und mehr, Marschflugkörper sollen auch in Deutschland stationiert werden!

       Die Staaten in Chinas Nachbarschaft fahren ihre Ausgaben zur Verteidigung vor der immens machtvoll auftretenden Volksrepublik und auch Nordkoreas hoch! Längst vergessen geglaubte Konfliktmuster kehren nun zurück in eine polarisierte Welt der bis an die Zähne bewaffneten Großmachtblöcke!

      Obwohl überall die Sicherung des Friedens wohl den wichtigsten Grundwert für die Menschen darstellt, sind die politischen Mächte dieser Welt von einer aktiven Friedenspolitik so weit weg wie seit Jahrzehnten nicht. Das ist die bittere Wahrheit, die den Glauben an die Menschheit erschüttern muss.

 »Big Brother is watching you!«

– dieser Slogan ist längst zum Synonym für totale staatliche Überwachung geworden. Als George Orwell 1948 seinen Roman 1984 fertigstellte, stand er unter dem Eindruck der Entwicklungen in der Sowjetunion unter Stalin. Da englische Intellektuelle dem Sozialismus sowjetischer Prägung zunehmend mit Akzeptanz begegneten, befürchtete Orwell, sie könnten sich vom totalitären Staatsdenken verführen lassen.
      Als Folge führte er ihnen in seinem Roman den Totalitarismus drastisch vor Augen. Lohnte es sich nach dem Untergang des Ostblocks noch, den Roman zu lesen? Unbedingt, es lohnt sich auch heute noch, denn dieses Buch ist ein eindringliches Plädoyer gegen totalitäre Herrschaft jeglicher Couleur.

    Der Roman »1984« führt uns eindringlich vor, wie Sprache und gelenkte Nachrichten zum Instrument der Manipulation geraten. Moderne Kommunikationsmittel bedrohen darin die Privatsphäre der Menschen.

      Orwells düsterer und pessimistischer Zukunftsroman war schon bei seinem Erscheinen nur wenige Schritte von der Gegenwart entfernt – heute ist der Abstand zur Realität nur noch gering und wird immer geringer. Diese Einteilung in drei Machtblöcke, die Orwell beschrieb, ist sie wirklich so fern?

10.7.24

Dann musst du eben gehen.



Mitten aus dem Leben erzählt ... 






Sonnenschattengeflecht auf dem Waldboden. Der Geruch nach feuchtem Moos und nach Nadelgehölz umschmeichelt die Sinne; in einem leisem Windhauch schwanken die hohen Buchen und Kiefern, kaum wahrnehmbar. Im Unterholz absterbende Äste lassen das »Stirb und Werde« der Natur überdeutlich werden. Ein kleiner Käfer versucht unermüdlich, einen morschen Baumstamm zu erklimmen. Vergebliche Mühe. Gero lächelt, spielt den Retter und nimmt ihn vorsichtig zwischen zwei Finger, setzt ihn auf das faulende Holz. Der kleine Kerl hat nichts Schnelleres zu tun als auf der anderen Seite wieder herabzufallen. Liegt dort auf dem Rücken und strampelt verzweifelt mit seinen Beinchen, kommt dann doch wieder in die richtige Lage und klettert eilig davon.

       Geros angestrengtes Lächeln will nicht so ganz gelingen. Wie ähneln die Bemühungen des kleinen Käfers doch seinem Leben! Carola sitzt neben ihm auf einem Baumstamm, fragend schaut sie ihn verwundert an. »Warum lächelst du?« Sie fragt irritiert, wartet. Er schweigt. Eine nichtssagende Handbewegung, der hilflose Blick zur Seite drückt seine Unsicherheit aus. Carola schaut ihn immer noch an. Er weiss, dass sie ihn nicht verstehen wird. Wie sollte das auch sein? Im letzten Jahr, seit dem schweren Unfall, hat sich ihre Beziehung immer mehr getrübt, es war nichts übrig geblieben von ihrer Liebe als eine Verbindung, die kaum über das Oberflächliche hinausging. 

       Gero wendet den Kopf, blickt lange auf die Waldlichtung hinaus, wo erste Nebelschwaden über dem kleinen Bach schweben. Dann seine Antwort: »Ach, nichts Wichtiges, ich sah nur ein paar Bilder vor mir!« Sie senkt den Kopf, sieht zu Boden, eine endlose Reihe von roten Waldameisen zieht dort zwischen Kiefernnadeln ihre Bahn. »Ach ja?«  Auf ihrer Stirn werden ein paar Falten sichtbar, er kennt das, es ist ein untrügliches Zeichen von Unmut. »Früher haben wir unsere Gedanken immer ausgetauscht«, meint sie dann, »auch scheinbar Unwichtiges kann wichtig sein. Es sind Deine Worte!« 

       Er sieht sie an. Ihr blondes Haar konkurriert mit dem Blau ihrer Augen, einige Sommersprossen, die sie selbst so hasst, geben dem schmalen Gesicht einen Touch von Kindlichkeit. Der Ohrschmuck aus Lapislazuli setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf. Carola ist eine wirkliche Schönheit. Sie hatte ihn schon damals bezaubert, als sie noch zusammen in der Theatergruppe spielten. Und er war auch mächtig stolz, dass er derjenige war, der ihr Herz erobert hatte. Über drei Jahre ist es nun her, Jahre, die so wechselvoll waren wie meist das ganze Menschenleben auch. Freude und Glückseligkeit, Schmerzen und bittere Leiden. 

    »Wichtig. Unwichtig. Was macht das für einen Unterschied? Ändert das mein Leben? Unser Leben?« 
Er hat einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Warum heuchelt sie? Er weiss doch schon seit einigen Tagen aus einem Gespräch mit Freunden, dass sie sich von ihm trennen will. »Es ist unser letzter Tag heute, nicht wahr, Carola? Warum sagst du nicht direkt, was du meinst? Auch das ist wichtig, jedenfalls für mich!« Er spürt wieder diesen Druck auf der Brust, der ihm das Atmen schwer macht.

    »Du versinkst wieder in Selbstmitleid?« Ein wenig spöttisch klingt das schon aus ihrem Mund. Jedenfalls spürt er es so. »Nun gut, mein Freund! Ich will dir dann auch sagen, dass ich lange, sehr lange hin und her überlegt habe, was aus uns beiden wird. So geht es einfach nicht mehr. Ich brauche Leben um mich herum. Du jedenfalls ziehst dich immer mehr von allem zurück. Das meinen auch alle Freunde!« Ihre Stimme wird lauter, etwas schrill. Dann tippt sie mit dem Finger auf seine Brust: »Du denkst, es dreht sich alles nur noch um dich, ja? Bist du die Sonne? Nein, du bist nur der Mond, der sich von der Sonne bescheinen lässt! Verstehst du? Nur der Mond!«

       Verwirrt schaut er sie an. Heiss steigt es in ihm auf, seine Gefühle drehen sich unablässig im Kreise. So hat er sie noch nie erlebt. Dann sagt er leise mit heiserer Stimme: »So? Und du bist dann die Sonne, ja? Meine Sonne? Die mir das Licht gibt, ja?« Er schüttelt den Kopf, erfasst wahllos einen Zweig des Unterholzes, zerbricht ihn, wirft ihn zu Boden.
»Wie selbstgerecht du doch bist, Carola.« Sie erhebt sich, läuft erregt ein paar Schritte auf dem Waldweg entlang, kommt zurück, bleibt vor ihm stehen: »Selbstgerecht? Ich habe immer zu dir gehalten, auch in deiner schweren Zeit. Immer war ich für dich da. Aber irgendwann kann man halt nicht mehr, verstehst du? Da ist man ausgebrannt, einfach alle!«

       Er schweigt, weiss ja insgeheim, dass diese Worte der Wahrheit entsprechen. Sie hat ein Recht auf ihr eigenes Leben, er kann einfach nicht erwarten, dass sie ihm alles opferte. »Carola, ich, ich liebe dich doch!« Seine Stimme klingt rau, fast tonlos. Sie steht schweigend vor ihm, den Schein der untergehenden Sonne in ihrem Rücken, das Gesicht völlig im Schatten. Schaut ihn lange an. Dann flüstert sie mit verhaltenen Worten: »Ich glaube, ich muss jetzt gehen!«

       Fast unmerklich nickt er mit dem Kopf, schliesst fassungslos die Augen. Und wie aus unerklärlichen Sphären, aus den Wipfeln der hohen Bäume klingen Töne an sein Ohr, Takte aus Beethovens Neunter, schwellen an, brausen empor und verstummen dann mit einem Paukenschlag.

       Carola steht immer noch vor ihm, beugt sich zu ihm herab, küsst ihn auf die Stirn, streicht dann sanft mit der Hand über seine geschlossenen Augen.
»Lebewohl, Gero!« Er spürt noch lange diese kleine Berührung, plötzlich ist Beethovens Musik wieder da, machtvoll, nimmt seine ganzen Sinne gefangen, während seine Schultern zucken und die Hände zittern. Als er nach endlos langer Zeit die Augen öffnet, ist sie gegangen. Nur ein Schwarm Mücken tanzt lautlos an der Stelle, an der Carola gestanden hatte. 

       »Ja, dann musst du gehen!« Er flüstert es leise in die Stille des Abends hinein, löst die Bremsen seines Rollstuhls, rollt langsam auf dem Waldweg heimwärts, sehr kraftvoll, aber die Augen blind vor Tränen.

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8.7.24

Vorbei?

 
















Auf einmal war es vorüber. Lang erwartet, mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht, vor-kritisiert und von allen Seiten beleuchtet. Das Sommermärchen 2.0, das allen Interessierten dann doch nicht das erwartete Happy-end bescheren konnte, weil - ja warum eigentlich? Weil die Trauben dann doch noch nicht reif genug waren und man aus der Maische nur interessanten farbigen Essig zaubern konnte?

       Es ist nun mal das Gesetz solcher tollen Events: Einer kann nur der Gesamtsieger sein! Man kann einige Tage voller Hoffnung sein, dass alle Mitbewerber nicht den eigenen Level erreichen. Je nachdem nun der eigene Enthusiasmus auf die Spitze getrieben wird, bleibt dann die Enttäuschung in Grenzen oder fällt auf einen Zustand unter -50% des Vortages zurück.

       Der gewaltige (wirtschaftliche) Aufschwung, der beim Gewinn des ersten Platzes erwartet wird, fällt in sich zusammen, überlässt einer gewissen »Katerstimmung« seinen Platz. Bis dann irgendwann entdeckt wird, dass es ja gar nicht so schlimm ist, nicht an der Spitze zu stehen. Es bleibt immer der Aufruf, »nächstes Mal« von Neuem nach dem »Super-Cup« zu greifen! Irgendwie muss doch ein neuer Anreiz geschaffen werden, sonst geht alles völlig sinnlos an allen Beteiligten vorüber.

       Die finanziell hauptbeteiligten Partner wie UEFA oder FIFA erfinden doch immer wieder neue Wettbewerbe, um die FAN-Massen bei Laune zu halten. Die WM´s (oder EM´s) haben schon lange ihre Unschuld verloren!

(Wie die Olympischen Spiele auch, wer erinnert sich noch an die Zeit, als nur Amateure mitmachen durften? Thomas Morus »Utopia« ist auch im Sport kein Fremdwort mehr.)

Aber die Freude am Sport soll sich niemand nehmen lassen. Nur dass man im bitteren Ernst darin verharrt, ist kontraproduktiv! Im Zweifelsfall hilft stets ein Lächeln - auch wenn es vielleicht etwas gequält ist! 
Sehen wir uns 2026 bei der Fussball-WM wieder? Oder schon in den nächsten Tagen in Paris bei OLYMPIA? Bitte nicht den Spass verderben lassen ...

7.7.24

Anno Juli/´45

 


Ich fand einen Bericht von anno ´45, der mir interessant erschien, vielleicht auch für Euch?

Ich möchte ihn erwähnen, damit die Verhältnisse einmal gerade gerückt werden, die heute oft ins Extreme ausufern. Ich bitte um Entschuldigung, wenn das jemand als Provokation auffassen sollte - aber es ist dann auch gewollt...

 Donnerstag, 19.Juli 1945

Die Tagesrationen werden in der amerikanischen Zone auf 1550 Kalorien pro Tag festgesetzt, Bergarbeiter erhalten 3400, Kinder 1750 und werdende Mütter 2700 Kalorien. In Frankfurt beträgt die derzeitige Wochenration für Erwachsene: 1500 g Brot, 150 g Fleisch, 75 g Butter, 2500 g Kartoffeln, 1/8l Milch (täglich), 62,5 g Zucker, 62,5 g Nährmittel, 31 g Käse, 31 g Quark und 1/2 Ei.

 Quelle: [Deutsche Geschichte von Tag zu Tag:
19. Juli 1945. S. 13309

Wunderbares Wunder

    Ich schaue durchs Fenster in unseren Garten. Ist das nicht wunderbar? Das Gras, die Büsche, die Blumen, die Bäume, alles ist nur für un...