16.8.24

Wunderbares Wunder

 

 














Ich schaue durchs Fenster in unseren Garten. Ist das nicht wunderbar? Das Gras, die Büsche, die Blumen, die Bäume, alles ist nur für uns gemacht. Jedenfalls glauben wir es. Sieh doch, wie die Vögel beschäftigt sind, die Hummeln, die Ameisen. Sieh genau hin, wie die Sonne all das mit ihrer Wärme überschüttet. Alles bewegt sich, alles wächst, blüht, verändert sich. Alles lebt!

     Und doch: Leben auf unserer Erde, ist das einfach so natürlich? Kann das vielleicht nicht auch unnatürlich sein, dieses ›Natur pur‹? Denken wir an die eisigen Polargebiete, an feuerspeiende Vulkane. Was sind die glühenden Wüsten unter der Brise des heißen Windes? Unnatürlich, wie auch der zerstörerische Tsunami im Ozean? Haben wir die alles vernichtenden Erdbeben im Blick, auch das ist Natur pur? Ja, all das ist halt das Leben auf unserem Planeten!

  Aber das Leben auf unserer Erde versucht, all diesen tödlichen Gefahren zu widerstehen. Das Leben kämpft, es will mehr! Und es sucht nach allem, was es dafür braucht. Das Leben sucht meist all das, was es nicht selbst hat. Das Leben raubt sich all das, was nötig ist, um eben zu überleben! Das Leben ist ständige Rebellion. Mit allen möglichen Mitteln und auf allen möglichen Wegen.

     Dafür tauscht das Leben alles, was zu seinem Zweck passt, und was sein eigenes Defizit ergänzen kann, um erfolgreich für seinen eigenen Schutz gegen die Natur zu kämpfen. Das ist enorm wichtig. Jeder bestätigt, verteidigt und fördert sein eigenes Selbst. Sieh hin, wie der Löwenzahn seine Blätter weit unten spreizt und das Gras abstößt. Und wie die Rosen ihre Dornen schärfen, wie die mutige Amsel die gierige Elster von seinen Jungen wegjagt.

     Licht und Dunkelheit. Zwischen diesen Polen finden sich die Dinge in konstruktiven Wechselwirkungen. Sehen wir uns doch dieses Schauspiel des Seins an! Diesen Widerstand des Lebens gegen die Natur. Es passiert einfach, tausendmal und zu jeder Zeit, einfach unschlagbar.

   Niemand muss irgendeinen Knopf drücken oder nach Lourdes pilgern, um Wunder zu erleben. Diese ›Wunder‹ geschehen einfach. Milliardenfach und in ganz gewöhnlicher Weise. So gewöhnlich, dass wir es kaum noch bemerken. Wir denken kaum darüber nach. Nehmen wir doch mal die Zellteilung.

     Der gesamte menschliche Zellzyclus beispielsweise dauert etwa 19,5 Stunden. Das ist die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zellteilungen. Ist das nun viel? Wie viel ist denn ›viel‹? Wie klein ist klein? Wie komplex ist komplex? Ist der Bodensee klein oder groß? Es kommt immer auf den Standpunkt an.

   Ich schaue auf unseren Garten. Unser Garten. Unser? Aber was geschieht denn hier? Geben wir ihm das Leben? Können wir alles wachsen und blühen lassen? Sind es unsere Bakterien, unsere Mikroben, unsere Bienen oder Wespen, unsere Hummeln oder Mücken? Unsere Schwalben? Der Zaunkönig sieht keinen Zaun um unsere Gärten, für ihn ist alles frei, freie Natur! Wie der fliegende Flaum des Löwenzahns. Er fliegt, wohin er will, nicht wahr?

       Ach ja, noch eine letzte Frage: Ist es unsere Erde, unsere Sonne? Unser Sonnenlicht, unser Chlorophyll? Ja, dieses Wunder gehört uns, uns allen! Aber wir sollen es bewahren. Ist das nicht etwas Wunderbares?

2 Kommentare:

  1. Anonym22.8.24

    Wunderbar, ja pure Wunder überall und jeden Tag, wenn man sie sehen möchte. Die Suche nach kleinen Wundern: einfach einmal stehen bleiben und betrachten. Ich hatte in unserem großen weiten Hof in diesem Jahr wieder Blumentöpfe gestellt, die voller Blüten und Blätter die Ansicht verschönern. Und zwischen den Fugen der alten Bodenplatten breiteten sich wieder im Anfang zarte Pflänzchen von Breitwegerich aus, die nun kräftiger geworden zauberhaft die Blumentöpfe ergänzen. Ein kleines Stück Natur zur Gärtnerkunst. Alles andere Kraut mußte heraus, nur der Breitwegerich mit seinen großen runden Blättern durfte bleiben. Daneben sehe ich tagtägliche Konflikte, die sich die Menschen ausdenken, um zu zeigen, sie sind zu diesem und jenem berechtigt, die Unmut zeigen, um zu demonstrieren: er allein hat das Recht gepachtet. Hat doch jeder seine Berechtigung für das eigene Tun und lassen. Wo bleibt der Anstand, wo die Würde, das andere, nicht gewohnte zu akzeptieren? Das macht etwas traurig und nicht vollends zufrieden.
    Ich las eben erst deinen wunderbaren Text, es lohnt sich darüber nachzudenken, wie wir doch beschenkt werden. Und doch immer kommt ganz schnell die Unzufriedenheit zu Tage. Kann man sich nicht glücklich schätzen über den Frieden, der uns umgibt...Er ist nicht selbstverständlich!
    Christine.
    Vielen Dank für die gute Schrift

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    1. Jeder macht das, wofür er prädestiniert erscheint, denke ich. Wenn wir Erdenbürger all das geradebügeln wollten, was wir in einem langen Leben durcheinandergebracht haben, kämen wir gar nicht mehr dazu, wirklich zu leben!
      Folglich ist halt alles gut, wie wir es tun! Muss man Gewissensbisse haben? Ich glaube nicht. Es ist - wie es ist. Punkt.
      Ich grüsse Dich,
      Horst

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Danke für die Interessante Anmerkung!

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