8.4.24

Worte der Liebe

 












Die Stunden der Nacht sind vorüber. Worte beginnen zu wandern. Hier hin - dort hin. Tief unter der Haut verwurzeln die Worte im Zwielicht des Morgens. Streifen leise durch das morgendliche Grau des Zimmers. Flüstern Geständnisse, beichten kleine Geheimnisse des Lebens, die sonst unausgesprochen blieben. Weil Liebe unteilbar ist, bedarf sie weder einer Frage noch einer Antwort.

Blicke treffen sich. Finden sich zum traulichen Miteinander.
Spannen Netze aus filigranen Silberfäden, glänzende Wunderwerke des Daseins. Verbinden sich zur Einheit des frühen Tages ohne Rücksicht auf die gesichtslose Form des Morgens. Die Nacht bleibt zurück, ist bedeutungslos geworden, ist Vergangenheit. Nur die Stunde zählt, die Stunde der Liebenden.

Erinnerungen sprechen eine eigene Sprache, kaum einer versteht sie. Hätten die Augen Geduld, würden sie auf die kleinen Dinge achten, könnten Farben erkennen und aus dem Mosaik Bilder formen. So jedoch bleiben sie im Gewirr des Morgens hängen. Wozu fragen, wenn man die Antwort kennt? Aus dem Dunst der Vergangenheit entsteht ein Fragment der Zukunft, zwar unvollständig, dennoch bildhaft in klaren Farben. 
Nein, Worte sind nicht Schall und Rauch, wie der Dichter sagt! »Ich liebe Dich« ist ein Abbild des Denkens, ein Synonym für ein Miteinander des Lebens, vielleicht begrenzt auf Zeit, vielleicht für die Ewigkeit; auf jeden Fall aber fliegen die Herzen in intimer Zweisamkeit empor zu den Sternen. Sie verlieren sich dort und finden sich immer wieder.

»Ich liebe dich!« Der Sinn dieser Worte ist so bemerkenswert, dass er aufgehoben wird bis an das Ende der Tage. Man möchte ihn mit den Händen fassen und bewahren, obwohl die Vergänglichkeit des eigenen Ichs lange erkannt ist.
Worte sind der Gesang der Seele. Einmal gesprochen sind sie fort, fliegen in die Weite. Kehren auch nie zurück, überwintern im Dunst des Erinnerns, bis sie melodiös als Duett im warmen Strudel des Frühlings erklingen, eine Sinfonie der Liebe in einer Welt der Kälte.

Wenn die Stunden der Nacht vorüber sind, gebiert der Morgen das Licht, lässt das verwelkte Dunkel hinter sich und entsorgt es auf den Stapel des Vergessens. 
Gestern war, morgen wird sein. Beides ist nicht mehr oder noch nicht beeinflussbar, allein das Heute ist der Weg unseres Daseins.

Ohne Notwendigkeit, ohne jede Vorbedingung und ohne jede Suche schenken die Worte der Liebe Wärme und Vertrauen, Hingabe und Erfüllung. Im Leben eines Menschen kann nichts bedeutsamer sein als gemeinsam gelebte Stunden, Tage und Jahre. Sie ergeben die Quintessenz des Lebens zu zweit.

Oftmals aber sind »Einsam« und »Gemeinsam« Zwillingsgeschwister! Dort, wo die Worte der Liebe verloren gehen, verschwindet oftmals das »- Gem -« auf unerklärliche Weise. Und niemand weiss, wohin es ging. Eines grauen Morgens war es nicht mehr da.

Das geschieht dann, wenn die Vergangenheit die Oberhand erhält oder die Zukunft im Blickpunkt steht. Wenn das Heute, das Leben im »Jetzt« nicht mehr vordergründig ist, verliert auch das Wort »Ich liebe dich« an Bedeutung, es wird dann nur noch als inflationäres Anhängsel benutzt und irgendwann hat es seine Wichtigkeit vollends verloren!

Die Nacht bleibt zurück, wird bedeutungslos. Nur die Stunde zählt, die Stunde der Liebenden ...

 

 

 

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